Projekt in Homburg und Sulzbach Saar-Forscher entwickeln neuen Alterstest für junge Flüchtlinge

Homburg/Sulzbach · Gesundheitsminister Jens Spahn lässt im Saarland prüfen, ob eine Altersbestimmung bei jungen Flüchtlingen durch Ultraschall möglich ist.

 Das Saarland setzt seit 2016 bei Zweifeln an den Angaben junger Flüchtlinge aufs Röntgen der Handknochen. Die Methode ist aber umstritten.

Das Saarland setzt seit 2016 bei Zweifeln an den Angaben junger Flüchtlinge aufs Röntgen der Handknochen. Die Methode ist aber umstritten.

Foto: dpa/Felix Kästle

Bei der Bestimmung des Alters von jungen Migranten setzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jetzt auf ein Projekt aus dem Saarland. Spahn lässt hier prüfen, ob das Alter von jungen Erwachsenen per Ultraschall bestimmt werden kann. Entscheidend dabei ist die Frage der Volljährigkeit. Am Projekt beteiligt sind die Universität des Saarlandes mit der Medizinischen Fakultät in Homburg sowie das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) in Sulzbach. Das Bundesgesundheitsministerium fördert das Vorhaben laut Spahn seit Jahresbeginn mit einer Million Euro. Die Ergebnisse sollen Ende 2020 vorliegen.

Konkret geht es dabei um die mögliche Weiterentwicklung eines mobilen, nicht-invasiven (sprich: nicht in den Körper eindringenden) Ultraschall-Handscanners, den Experten des Instituts in Sulzbach ursprünglich zur schnellen Identifizierung von minderjährigen Opfern von Menschenhandel entwickelt haben (die SZ berichtete).

„Ich kann Ärzte verstehen, die zurückhaltend mit Röntgen sind, wenn sie das Alter von jungen Migranten bestimmen sollen“, sagte Jens Spahn der „Neuen Westfälischen“. „Aber wir brauchen die Altersbestimmung. Denn das hat Auswirkungen auf die Asylverfahren und – im Zweifel – auch auf die Strafverfahren“, sagt der Minister. „Deshalb müssen wir einen Weg finden, das minimalinvasiv zu machen.“

 Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Das Saarland setzt – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – bei Zweifeln an den Angaben junger Flüchtlinge aufs Röntgen. Um das Alter zu bestimmen, hatte das Land im Jahr 2016 im Schaumberger Hof in Tholey eine sogenannte zentrale Vorclearingstelle eingerichtet, die dem Sozialministerium angegliedert wurde.

Beim Vorclearing (Vorklärung) gibt es, wenn keine Ausweise vorliegen, eine „qualifizierte Inaugenscheinnahme“ und ein Pädagogen-Gespräch. Ergeben sich anschließend Zweifel an der Minderjährigkeit, wird eine radiologische Untersuchung des Handgelenks beauftragt. Das Ergebnis: Im Zeitraum von 2016 bis 2018 wurden in rund 35 Prozent der Fälle junge Flüchtlinge, die angegeben hatten, minderjährig zu sein, schließlich als volljährig eingeschätzt.

Ärzte hatten immer Bedenken gegen solche Untersuchungen. Sie argumentieren, dass man das Alter so allenfalls grob schätzen könne. Zu den Kritikern der Methode gehört auch Dr. Josef Mischo, der Präsident der saarländischen Ärztekammer. „Beim Röntgen der Handknochen überprüft der Arzt, ob sich die Wachstumsfugen der Person bereits geschlossen haben. Das passiert etwa im Alter von 18 Jahren, aber bei Mangelernährung und bestimmten Krankheiten kann es auch zu Ausnahmen kommen“, erklärte Mischo im vergangenen Jahr.

Gemäß der Röntgenverordnung sei das Röntgen ohne medizinische Indikation verboten, so Mi­scho. Rein rechtlich sei dies ein medizinischer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Person. Deshalb könnten auch nur Richter anlässlich eines Strafprozesses eine Altersfeststellung mittels Röntgen verpflichtend anordnen.

Die frühere Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte immer betont, dass es in Zweifelsfällen auch Röntgen-Untersuchungen geben müsse. Diese Position half ihr auch, ihr konservatives Profil zu schärfen, auch im Rennen um den CDU-Bundesvorsitz spielten die Röntgen-Untersuchungen eine Rolle.

Eine Bluttat im pfälzischen Kandel vom Dezember 2017 hatte bundesweit Aufsehen erregt und eine Debatte um die Altersbestimmung bei jungen Flüchtlingen befeuert. Ein mutmaßlich aus Afghanistan stammender Mann wurde vom Landgericht in Landau zu acht Jahren und sechs Monaten wegen Mordes an seiner 15-jährigen Ex-Freundin verurteilt. Der Verurteilte Abdul D. war im April 2016 als unbegleiteter Flüchtling eingereist. Er gab sein Alter zunächst mit 15 Jahren an. Nach der Tat kamen Zweifel daran auf. Ein Gutachten kam zum Ergebnis, dass er zum Tatzeitpunkt mindestens 17 Jahre und 6 Monate alt, aber wahrscheinlich schon 20 Jahre alt war. Das Landgericht hatte sich dafür entschieden – im Zweifel für den Angeklagten –, den Prozess nach Jugendstrafrecht zu führen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort