Trierer Bischof und Saar-Ministerpräsident uneins Streit um Dienstpflicht für junge Leute

Saarbrücken/Trier/Speyer/Essen · Wie weit darf der Staat in die Lebensbiografien junger Menschen eingreifen? Über diese Frage sind sich Saar-Regierungschef Tobias Hans und der Trierer Bischof Stephan Ackermann uneins.

 Wie dieser junge Mann in einem Seniorenheim im Rahmen seines Bundesfreiwilligendienstes einen älteren Herrn betreut, engagieren sich Hunderttausende junge Erwachsene in Deutschland freiwillig. Jetzt wird darum gestritten, ob die Freiwilligkeit ausreicht.

Wie dieser junge Mann in einem Seniorenheim im Rahmen seines Bundesfreiwilligendienstes einen älteren Herrn betreut, engagieren sich Hunderttausende junge Erwachsene in Deutschland freiwillig. Jetzt wird darum gestritten, ob die Freiwilligkeit ausreicht.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Erwachsene hat sich zum Jahresende in der Region ein Streit entzündet. Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) ist für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen. „Ich finde es gut, wenn es ein verpflichtendes Dienstjahr geben würde“, sagte Hans der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrücken. Allerdings sei nicht zu erwarten, dass noch in der laufenden Legislaturperiode der großen Koalition darüber entschieden werde. Die mögliche Ausgestaltung müsse noch diskutiert werden.

Dagegen sprach sich der Trierer Bischof Stephan Ackermann gegen ein allgemeines Dienstpflicht-Jahr für junge Menschen aus. Er sei eher dafür, freiwilliges Engagement insgesamt stärker wertzuschätzen, indem man dieses belohne, sagte Ackermann der Deutschen Presse-Agentur in Trier. Dies könne beispielsweise über Vergünstigungen, Bevorzugungen bei der Vergabe von Studienplätzen oder Anerkennungen in der Ausbildung geschehen: „Dass die Leute schon Vorteile haben und sehen, das ist gewollt.“

Die Diskussion über ein allgemeines Dienstjahr war im Sommer von der damaligen CDU-Generalsekretärin und jetzigen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer angestoßen worden. Im Gespräch ist ein Dienst von bis zu einem Jahr in sozialen Bereichen. Es sei ein Bedürfnis vieler CDU-Mitglieder, dass man in einem Staat mit den höchsten Sozialstandards und anderen Leistungen „dann auch erwarten darf von jungen Menschen, dass sie ihrem Land etwas zurückgeben“, sagte Hans, der auch Landesvorsitzender der CDU Saar ist. „Und da, meine ich, trägt eine solche Dienstpflicht tatsächlich auch zu einer besseren Identifikation mit dem Heimatland bei.“

Schon jetzt engagierten sich viele junge Menschen freiwillig bei der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk oder dem Roten Kreuz. Solch ein Dienstjahr könne auch auf spätere Studien- und Ausbildungsleistungen angerechnet werden, damit jungen Menschen „nicht auch Lebenszeit und wichtige Ausbildungszeit verloren geht“. Hans sagte, man müsse prüfen, ob und wie eine solche Dienstpflicht auch für junge Flüchtlinge gelten könnte. „Wünschenswert wäre das natürlich schon, dass jemand, der hier von seinem Recht auf Asyl Gebrauch macht und auch die Leistungen des Staates in Anspruch nimmt, dann auch etwas zurückgibt.“

Ackermann gab zu Bedenken, dass einem verpflichtenden Dienstjahr rechtlich wohl enge Grenzen gesetzt seien. „Dass der Staat verpflichtend so in die Lebensbiografie der Menschen eingreift: Dafür müsste er schon sehr gute Gründe haben.“ Es gehe mehr darum, Menschen zu fördern, damit sie bereit seien, sich gesellschaftlich einzubringen. „Und darum, eine Atmosphäre zu schaffen, wo man sieht: Das ist nicht nur erwünscht, das wird auch erwartet.“ Es gebe heute schon sehr viele junge Menschen, die ein Freiwilligenjahr machen würden, sagte Ackermann. „Man kann also nicht sagen, junge Leute sind dazu nicht bereit. Viele machen es.“

Hans sprach in seiner ersten Neujahrsansprache, die im SR übertragen wurde, von großen Herausforderungen, die das Jahr 2019 bringe. So forderte er einen „neuen Aufbruch für Europa“. Angesichts des allgemeinen Vertrauensverlustes der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates dürfe man diese Menschen „nicht in die Ecke stellen und stigmatisieren“, sondern müsse auf diese Bürger zugegen. Das Saarland befinde sich in einem neuen Strukturwandel, wie die schlechten Nachrichten von Ford in Saarlouis und aus der Diesel-Zuliefererindustrie zeigten. Doch Hans zeigte sich überzeugt, mit der exzellenten Forschungslandschaft im Saarland die Chancen des Strukturwandels nutzen zu können. Das Saarland werde zudem in Bildung und Betreuung investieren. Hans lobte das vielfältige ehrenamtliche Engagement der Saarländer, das das Saarland „liebens- und lebenswert“ mache.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, rief dazu auf, mutig und getröstet ins neue Jahr zu gehen. „Für Zeiten des Übergangs, aber auch am Beginn einer vieles verändernden Situation oder vor dem Betreten von Neuland tun uns ermunternde Worte gut“, sagte der Präses am Neujahrstag in der Gnadenkirche in Essen-Frintrop.

Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann rief in seiner Neujahrsbotschaft die Menschen dazu auf, sich in der Welt einzumischen und Gottes „Revolution der Liebe“ zu verkünden. Sie sollten „nicht ruhen, bis der ganze narzisstische Wahn des neokapitalistischen oder nationalen oder wie auch immer gearteten Egoismus entlarvt ist“, sagte Wiesemann am Montag in einem Gottesdienst zum Jahresabschluss im Speyerer Dom. Die menschliche Seele müsse wieder ein Instrument der Zärtlichkeit und des Mitfühlens sowie der Solidarität und der völkerverbindenden Gemeinschaft werden.

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