Puppen fristlos entlassen27 Jahre Kulturarbeit: eine Chronik

Saarbrücken. Wer in diesen Tagen die Nummer des Kleinen Theaters im Rathaus wählt, erreicht nur den Anrufbeantworter mit der Ansage, dass Karten für die Vorstellungen ab sofort über das Theater im Viertel (TiV) bestellt werden können

Saarbrücken. Wer in diesen Tagen die Nummer des Kleinen Theaters im Rathaus wählt, erreicht nur den Anrufbeantworter mit der Ansage, dass Karten für die Vorstellungen ab sofort über das Theater im Viertel (TiV) bestellt werden können. Wo ist Christian Caimacan, der künstlerische Leiter des Hauses? Der sitzt daheim - bei vollen Bezügen - und sorgt sich um sich und um die Zukunft des Kleinen Theaters. Christian Caimacan ist von der Stadt Saarbrücken gekündigt worden. Künstler und Publikum im Kleinen Theater werden von Leuten aus dem Theater im Viertel empfangen. Die Theaterleute aus der freien Saarbrücker Kulturszene sind auf Bitten der Stadt eingesprungen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Und prompt wabert das Gerücht, dass das TiV das Kleine Theater übernehmen soll, was die TiVler bestreiten. Tatsache ist, dass schon seit geraumer Zeit überlegt wird, das Kleine Theater besser auszulasten. Und hier kam das TiV ins Spiel. Für Proben und für Aufführungen an puppentheater-freien Abenden sollten sie das Kleine Theater zur Verfügung haben. Aber nun sind sie auf einmal auch sonntags da. Und die Gerüchteküche brodelt. Was auch für die TiVler nicht schön ist, denn welche Kulturinitiative will schon in den Geruch geraten, sich an der Demontage anderer zu beteiligen.Derweil präsentiert sich die Gemengelage rund um das Kleine Theater und Christian Caimacan als verwirrendes Spiel. Erst vor ein paar Monaten ließ Kulturdezernent Erik Schrader vermelden: "Das Kleine Theater ist gerettet". Die seinerzeit noch in der stadteigenen Gesellschaft Perspectives gGmbH angesiedelte Puppenbühne war dank Schraders Einsatz und dem Engagement der Stadtratsfraktionen aus der drohenden Pleite gerettet und mit festem Etat ausgestattet worden (25 000 Euro fürs Programm). Nach der Auflösung der gGmbH sollten Caimacan und "sein" Theater mit Beginn 2009 ins städtische Kulturamt überführt werden. (K)Ein faires AngebotUnd da ging dann der Ärger los. Denn bei der Übernahme einer städtischen Gesellschaft in die Obhut der städtischen Verwaltung werden auch Verträge neu geschlossen. "Richtig ist, dass die Landeshauptstadt Herrn Caimacan Ende Januar ein faires Angebot gemacht hat, das er nicht angenommen hat", erklärt Kulturdezernent Erik Schrader. Caimacan selbst fand dieses Angebot offenbar weniger fair, denn er hat eine Rechtsanwältin eingeschaltet. Und während der Dezernent noch letzte Woche versicherte "Herr Caimacan ist nicht entlassen worden", erfährt man von Anwältin Hansi Vogelgesang: "Es gibt seit Mitte Januar eine außerordentliche Kündigung, gegen die wir Klage erhoben haben". Die Anwältin sieht eine Reihe von Verfahrensfehlern der Stadt ("Ich hatte den Eindruck, dass sich kein Jurist damit befasst hat"). So müsse zum Beispiel bei der Übernahme aus der stadteigenen Perspectives gGmbH Caimacans alter Vertrag in jedem Fall noch ein Jahr unverändert gelten. Dann erst könne neu verhandelt werden. Stattdessen habe die Stadt einen Vertrag zu schlechteren Bedingungen angeboten. Und als sich der 54-Jährige darauf nicht einließ, kam die Kündigung. Schrader hingegen sieht die Stadt im Zugzwang: "Im Verlaufe des Januars hat sich die Situation so verschärft, dass wir reagieren mussten". Für die nahe Zukunft sieht er folgende Vorgehensweise: Das noch von Caimacan konzipierte Programm im Kleinen Theater steht bis Ende Mai. "Da haben wir noch ein bisschen Zeit abzuwarten, wie gegebenenfalls die Gerichte entscheiden und was Herr Caimacan für Zeichen gibt". Schrader selbst favorisiert, wie er sagt, die ursprünglich angedachte Lösung fürs Kleine Theater: Caimacan und TiV in einem Boot. Das ist auch Caimacans Interesse. "Es ist nicht so, dass ich nicht weitermachen wollte. Das Theater ist doch wie mein Kind". Aber die Vertragsfrage ist damit nicht geklärt. bre/kjs Saarbrücken. Seit 27 Jahren arbeitet Christian Caimacan für die Stadt Saarbrücken. 1981 kam der gebürtige Rumäne hierher und 1983 zum Kulturamt. Als er dort vorschlug, ein Figurentheater-Festival zu machen, griff der damalige Kulturdezernent Ernst Küntzer diese Idee sofort auf. Das Intermarionett-Festival bescherte dann rund zehn Jahre wunderbares, unvergessliches Figurentheater für Groß und Klein. 1995 wurde das Festival eingestellt, statt dessen gründete Caimacan für die Stadt das Intermarionett-Theater im Nebengebäude der Garage im Neugässchen (heute Kleiner Klub). Mit enormem Engagement gingen Caimacan und seine (übrigens ebenfalls gekündigte) Frau Adela an die Arbeit. Sogar den Innenausbau stemmten sie teils in Eigenregie. 1996 wurde Caimacan zudem Assistent des Leiters des Perspectives-Festivals. Als dieser abgelöst werden musste, übernahm Caimacan die Leitung, zeitweilig gemeinsam mit Renate Schäfer. Bis 2001 gestaltete er so das Saarbrücker Renommier-Festival mit. Das Figurentheater in der Garage musste nach drei Jahren eingestellt werden - zu laut schallten die Rockgruppen von nebenan, außerdem kostete es die Stadt Miete. Zwei Jahre lang hatten die Puppen keinen Raum, dann war das Kleine Theater im Rathaus fertig, und Caimacan widmete sich nunmehr hauptamtlich dem Figurentheater. Seit 2006 hatte Caimacan, der neben Rumänisch und Deutsch auch noch Französisch, Italienisch, Spanisch und Ungarisch spricht, innerhalb der Perspectives GmbH Prokura. breMeinung

Redet miteinander!

Von SZ-RedakteurinSusanne Brenner Das wäre dem früheren Kulturdezernenten Rainer Silkenbeumer vermutlich nicht passiert. Der wäre mit Christian Caimacan einen Kaffee trinken gegangen, hätte ihm mit ehrlicher Überzeugung versichert, wie wichtig das Kleine Theater für die Stadt ist, und dann hätten die beiden verhandelt, wie man einen für beide Seiten akzeptablen Vertragsweg findet. So viel Feingefühl hatte der neue Dezernent Erik Schrader nicht. Der agiert offenbar lieber vom Schreibtisch aus und ist wohl nicht wirklich ein Fan des künstlerischen und durchaus auch basiskulturellen Profils des Kleinen Theaters. Das aktuelle Trauerspiel im Kleinen Theater jedenfalls nährt sich auch aus diesem Mangel an Respekt und Vertrauen - auf beiden Seiten! Denn natürlich ist auch Caimacan nicht immer der geschickteste Taktierer, auch hat er innerhalb der Kulturverwaltung sicher nicht nur Freunde. Aber das Bestreben eines Kulturdezernenten, der sich schließlich mit der Rettung des Kleinen Theaters feierte, muss es sein, auch die Empfindlichkeiten seiner Mitarbeiter einzuschätzen und entsprechend zu handeln. Denn dass Christian Caimacan im Kleinen Theater lange Jahre gute Arbeit gemacht hat, ist unbestritten. Und nur weil jetzt eine städtische GmbH wieder zur städtischen Verwaltung kommt, kann nicht akzeptiert werden, dass man dabei ein ganzes Theaterangebot zerstört und ein verdienter Mitarbeiter brüskiert wird. Die Rettung des Kleinen Theaters haben die Stadtrats-Fraktionen sicher nicht deshalb beschlossen, weil sie den Raum erhalten wollten, sondern weil sie das kulturelle Angebot dort wertschätzen. Das aber können die Leute vom Theater im Viertel, bei allem Respekt vor ihrer enormen künstlerischen Arbeit, sicher nicht auch noch allein leisten. Die Lösung kann nur sein: Geht Kaffee trinken, schafft Vertrauen und erhaltet der "kinderfreundlichen Stadt" Saarbrücken ihr Puppenspiel. Wenn dann dort abends auch noch die freie Szene Programm macht - umso besser.

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