LSVS-Affäre Kostenlos-Kultur an der Sportschule

Saarbrücken · Bundes- und Landespolizei nutzten die Hallen ohne einen Cent zu bezahlen. Jetzt werden eilig Rechnungen verschickt.

 Auch Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz trainierten an der Hermann-Neuberger-Sportschule für ihr Sportabzeichen. Für die Nutzung der Hallen wurden sie nie zur Kasse gebeten.

Auch Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz trainierten an der Hermann-Neuberger-Sportschule für ihr Sportabzeichen. Für die Nutzung der Hallen wurden sie nie zur Kasse gebeten.

Foto: Robby Lorenz

Der Landessportverband für das Saarland (LSVS) verschickt in diesen Tagen eilig Rechnungen. Sie richten sich an externe Nutzer der Hermann-Neuberger-Sportschule. In der Vergangenheit stellte ihnen der Verband seine teuren Hallen und Plätze kostenlos zur Verfügung. Und das, obwohl die Sportschule hohe Verluste bringt.

Die Bundespolizei musste acht Jahre lang keinen Cent zahlen, mit einer Ausnahme. Auch die saarländische Polizei und das frühere Landesamt für Verfassungsschutz profitierten von der Freigebigkeit im Saarbrücker Stadtwald. Sporttests und Schwimmstunden fanden dort statt, Geheimdienstler schwitzten für ihr Sportabzeichen. Das erklärte das Saar-Innenministerium auf Anfrage unserer Zeitung. Mehr als das: Die Mitarbeiter von Minister Klaus Bouillon (CDU) zogen in der Schwimmhalle ihre Bahnen. Außerdem überließ der LSVS dem Ministerium auch Seminarräume für Fortbildungen kostenlos.

Zwar fällt die Auskunft des Ministeriums detailliert aus. Doch: Dass Bundes- und Landesbehörden die Sportschule über Jahre ohne Gegenleistung nutzten, überrascht Staatsanwälte und Aufklärer im saarländischen Landtag gleichermaßen. Erst durch die Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag fiel Licht darauf. Oliver Luksic sitzt für die Freien Demokraten im Bundestag. Als Landeschef der Liberalen äußerte er sich wiederholt zur Misere des LSVS. Durch die Anfrage in Berlin hob er sie auf die Bundesebene. Nun sagt Luksic: „Die LSVS-Affäre zieht augenscheinlich immer weitere Kreise.“ Leider scheine der Untersuchungsausschuss des Landtages nicht in der Lage, solche Informationen aufzudecken. Es müsse sichergestellt werden, dass solche Vergünstigungen in Zukunft nicht mehr gewährt werden können.

Mit dem Bekanntwerden der Finanzaffäre hat der LSVS seine Politik geändert, es gilt eine neue Gebührenordnung. Angesichts eines jährlichen Defizits in Höhe von 2,5 Millionen Euro sucht er nach Einnahmen. Noch immer nutzen Behörden die Sportschule, im Umfang von 14 Stunden pro Woche – allerdings gegen Entgelt. 2018 sollen über Nutzungsgebühren insgesamt 180 000 Euro in die leeren Kassen fließen.

Doch der LSVS will auch für die Vergangenheit noch Gebühren kassieren. Wer eine späte Rechnung erhalten wird? Das unterliege dem Datenschutz, erklärt Michael Blank, der Konsolidierungsberater des Sportverbandes. Das Innenministerium weiß noch nicht, ob es zu den Empfängern zählen wird. Zwischen ihm und dem LSVS bestanden nur mündliche Absprachen. Fest steht: Die Zeit drängt, zum 1. Januar verjähren mögliche Ansprüche für das Jahr 2015. Deshalb hat das LSVS-Präsidium für nächsten Donnerstag auch einen Regress-Experten eingeladen. „Wir wollten schnell handeln“, sagt Präsident Adrian Zöhler, seit Mitte September im Amt. Er erfuhr vor ein bis zwei Wochen von der Kostenlos-Kultur. Bewerten will Zöhler sie nicht. Aber in Erfahrung bringen lassen, mit wem es welche Vereinbarungen gab – und wer beim LSVS dafür verantwortlich war. Somit gehören die jetzigen Rechnungen auch zur Aufklärung der Finanzaffäre. Worauf werden sich die Angeschriebenen berufen? Wer zeigte sich ihnen gegenüber so großzügig? Es geht um Nachzahlungen und mögliche Regressansprüche gegen frühere Sportfunktionäre.

Auch die Staatsanwaltschaft wird sich mit der kostenlosen Überlassung der Sportschule befassen. Sie erklärte, im Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Haushaltsuntreue gegen ehemals Verantwortliche eine neue Spur angelegt zu haben. Auch im Untersuchungsausschuss des Landtages ist man hellhörig geworden. Jochen Flackus von der Linkspartei bezeichnete den LSVS im SR als „Selbstbedienungsladen“. Petra Berg (SPD) sagte der SZ: „Das ist aus den Akten nirgendwo hervorgegangen.“ Auch der LSVS habe nichts berichtet. Verständnis habe sie dafür nicht. Frank Wagner (CDU) kündigte an: „Wir werden uns das genau anschauen.“

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