Polizei Polizei-Nachwuchs fordert Kehrtwende

Saarbrücken · Die Stimmung unter jungen Polizisten ist nach Darstellung der Gewerkschaft der Polizei mies. Der Innenminister sieht die Situation anders.

 Die Zahl der Neueinstellungen bei der saarländischen Polizei ist jedes Jahr ein Politikum. In diesem Jahr beginnen 120 Anwärter ihre Ausbildung, im nächsten Jahr 124. Dies entspricht laut großer Koalition der Zahl jener Beamten, die drei Jahre später – wenn die Ausbildung der Anwärter beendet ist – in Ruhestand gehen.

Die Zahl der Neueinstellungen bei der saarländischen Polizei ist jedes Jahr ein Politikum. In diesem Jahr beginnen 120 Anwärter ihre Ausbildung, im nächsten Jahr 124. Dies entspricht laut großer Koalition der Zahl jener Beamten, die drei Jahre später – wenn die Ausbildung der Anwärter beendet ist – in Ruhestand gehen.

Foto: Andreas Engel

In einem Brandbrief an Innenminister Klaus Bouillon (CDU) hat die Junge Gruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP) mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen gefordert. In dem Schreiben heißt es: „Die Zufriedenheit unserer Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich für die innere Sicherheit den Kopf hinhalten, ist bereits derart schlecht, dass wir aufgrund des anstehenden Aderlasses der Vollzugspolizei keine Möglichkeit mehr sehen, unsere Organisation weiter zur Bürger- und vor allem zur Mitarbeiterzufriedenheit aufrecht zu erhalten.“ Die Junge Gruppe der GdP Saar vertritt nach eigenen Angaben rund 700 Polizisten, die unter 30 Jahre alt sind.

Ihren Angaben zufolge fallen allein in den nächsten beiden Jahren knapp 100 Beamte weg. Erfahrungswissen gehe damit schlagartig verloren. Hinzu komme, dass aufgrund von Elternzeit oder Teilzeit etwa weitere 100 Polizistinnen und Polizisten derzeit nicht zur Verfügung stünden.

Der Stellenabbau hat mit den Einstellungszahlen zu tun: 2014 und 2015 begannen deutlich weniger Kommissaranwärter ihre gut dreijährige Ausbildung, als nach Abschluss ihres Studiums 2017 und 2018 Beamte in Ruhestand gehen. Auf diese Weise sollen von 2012  bis 2020 insgesamt 300 Stellen wegfallen – so war es 2011 beschlossen worden, um die Schuldenbremse  einzuhalten.

Die CDU/SPD-Koalition hatte im Frühjahr zwar beschlossen, künftig wieder so viele Polizisten einzustellen, wie drei Jahre später in Ruhestand gehen – 2017 sind dies 120 Anwärter und 2018 dann 124. Doch dies wirkt sich erst aus, wenn die Anwärter ihre Ausbildung beendet haben. Ab 2021 soll die Zahl der Polizsten dann konstant bleiben.

Die Durststrecke bis 2021, so die Forderung des Polizei-Nachwuchses, solle unter anderem mit mehr Lebenszeitverlängerungen und höheren Zulagen abgefedert werden. Die Landesregierung müsse gewährleisten, dass die Polizisten wieder gerne zum Dienst kämen.

„Hohe Arbeitsbelastung, kaum Freizeit und steigende Gewalt machen unsere Kolleginnen und Kollegen krank!“, erklärt der Landesjugendvorstand. Man werde es nicht dulden, dass gerade die Beamten des Wechselschichtdienstes, des Landeskriminalamts sowie der Bereitschaftspolizei „verheizt“ würden.

In den vergangenen Monaten habe der Landesjugendvorstand mehrmals vergeblich versucht, einen Termin bei Innenminister Bouillon zu bekommen. Dies sei, anders als früher, aber nicht möglich gewesen. Daher habe man die Anliegen in einem Offenen Brief an den Innenminister herangetragen, um  Gehör zu finden. Der Brief soll die Kampagne „Tacheles 2020“ einleiten. Unterstützung erhält die Junge Gruppe vom Linken-Abgeordneten Dennis Lander, während der CDU-Abgeordnete Alexander Zeyer der Jungen Gruppe eine „Krawalltour 2020“ vorwarf.

Bouillon erklärte, die Junge Gruppe könne sich jederzeit „mit allen meinen Mitarbeitern“ austauschen. Er bitte um Verständnis, dass er wegen seiner vielfältigen Aufgaben sehr stark eingebunden sei. In der Sache widersprach Bouillon der Jungen Gruppe: Noch nie in den letzten 30 Jahren sei in der saarländischen Polizei so viel investiert worden wie seit seinem Amtsantritt im November 2014. Die Zahl der Kommissaranwärter sei von ursprünglich geplanten 80 auf 120 erhöht worden, es gebe zusätzlich 15 Tarifangestellte, 30 Mitarbeiter des Polizeilichen Ordnungsdiensts  sowie 20 Ermittlungshelfer. Deren Arbeitsverträge würden entfristet. Zudem gebe es rund 30 Lebensarbeitszeitverlängerungen pro Jahr und „etliche 450-Euro-Verträge“.

Bouillon: „Insgesamt habe ich dafür Sorge getragen, dass über 300 Köpfe mehr in der saarländischen Polizei zur Verfügung stehen.“ Die Landesregierung habe für Personal und Ausstattung der Polizei 24 Millionen Euro mehr ausgegeben als ursprünglich geplant, hinzu kämen Investitionen etwa in das Ausbildungszentrum in Göttelborn oder eine Großinspektion in Saarbrücken. „Dies gab es noch nie. Wenn wir weitere Probleme beseitigen müssen, dann deshalb, weil vor vielen Jahren bei der Polizei gespart wurde.“ Eine Anspielung auf die Einstellungspraxis der früheren SPD-Landesregierung: Zwischen 1991 und 1998 gab es jeweils maximal 30 Neueinstellungen, 1993 und 1995 keine einzige.

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