Polizei gibt Entwarnung, nicht alle glauben ihr

Malstatt. Auch das zweite Saarbrücker Projekt, mit dem die Arbeiterwohlfahrt (Awo) ehemalige Drogenabhängige in ein "normales" Leben begleiten will, stößt auf massive Kritik. Am Mittwochabend haben Anwohner und Geschäftsleute auf einer Bürgerversammlung im Nauwieser Viertel Front gegen einen Buchladen gemacht, den die Awo in der Försterstraße eröffnen will

Malstatt. Auch das zweite Saarbrücker Projekt, mit dem die Arbeiterwohlfahrt (Awo) ehemalige Drogenabhängige in ein "normales" Leben begleiten will, stößt auf massive Kritik. Am Mittwochabend haben Anwohner und Geschäftsleute auf einer Bürgerversammlung im Nauwieser Viertel Front gegen einen Buchladen gemacht, den die Awo in der Försterstraße eröffnen will. Drei Menschen, die mit einem Medikament der Sucht trotzen, so genannte Substituierte, sollen dort ab 1. April arbeiten. Aufgebrachte Anwohner befürchten nun die "Rückkehr der Drogenszene" ins Viertel.Weniger aggressiv, aber dennoch hart in der Sache ging es bei der Bürgerversammlung zum zweiten Awo-Substituierten-Projekt, einer Beratungsstelle im Johanna-Kirchner-Haus in der Eifelstraße auf dem Rastpfuhl, zu. Dort werden seit 2. März fünf bis sechs Menschen, die am Drogenausstiegsprogramm des Landes teilnehmen, beraten. Wie im Nauwieser Viertel kamen die Awo-Experten und die Polizei mit ihren Botschaften auch auf dem Rastpfuhl nicht durch. Die Botschaft lautet: Diese Drogenkranken sind nicht gefährlich. Es wird sich keine Drogenszene bilden. Dass die Awo eine solche Beratungsstelle ausgerechnet in einem Wohngebiet mit zwei Grundschulen und einem Kindergarten einrichte, könne und wolle sie nicht verstehen, sagte eine Mutter - und bekam viel Applaus. Man könne sicher nicht ausschließen, dass diese Menschen, die ja nicht frei von Sucht, sondern "noch ganz heftig drauf" sind, andere Leute aus der Szene anziehen. Zumal es ja viele schöne Fleckchen zum Verweilen rund um die Beratungsstelle gebe. Niemand könne garantieren, dass den angeblich harmlosen Drogenaussteigern nicht doch Dealer und Prostituierte folgen. Das Problem habe man damals bei der Einrichtung des Drogenhilfezentrums in der Brauerstraße auch zunächst verharmlost. Unbegreiflich sei auch, wieso die Awo die Beratungsstelle in eines ihrer Altenheime lege - ins Johanna-Kirchner-Haus. Das findet selbst die örtliche Awo-Vorsitzende Inge Latz unglücklich. Sie habe dagegen Unterschriften gesammelt.Was der Leiter des Heims, Johannes Wolbeck, nicht verstehen kann. Er sei vorher gefragt worden und habe sein Einverständnis erklärt. Das hätte er sicher nicht getan, wenn er auch nur ansatzweise davon ausgehen würde, dass die Menschen, die zur Beratung kommen, gefährlich sind. "Aus unserer Sicht werden die Befürchtungen dramatisiert", sagte er.Die Menschen, die zur Beratung kommen, seien eben keine Abhängigen, die Geld beschaffen müssen, um Drogen zu kaufen, erklärte Projektleiter Elmar Schütz. Diese Menschen bekommen ihr Ersatzmedikament von Ärzten - nicht in den Beratungsstellen, sondern in Arztpraxen in anderen Stadtteilen.Auch Peter Becker, der Chef der Saarbrücker Polizei, versuchte Angst zu nehmen. Zehn Jahre lang war die Beratungsstelle direkt neben dem Geschäft von Villeroy & Boch auf der Berliner Promenade, erklärte er. Wenn das "problemlos neben edlem Geschirr und Kristallglas" funktioniert habe, wieso dann nicht auf dem Rastpfuhl?, fragte er und fasste die Einschätzung der Polizei in einem Satz zusammen: "Ich bin überzeugt, dass das gut geht." Sollten Anwohner Probleme haben, sollen sie direkt die Polizei anrufen.Bis die Polizei da sei, "könnten unsere Kinder schon vergewaltigt oder erschossen worden sein", hielt ihm eine Mutter entgegen. "Wehret den Anfängen", mahnte ein Anwohner, der mit anderen bereits eine Bürgerinitiative gegründet hat. Die Hoffnung einiger Anwohner, dass die Beratungsstelle bald wieder verschwindet, weil die Awo recht eilig einen neuen Standort hatte suchen müssen und nun ja Zeit habe, in Ruhe einen neuen zu suchen, wollte die Awo nicht nähren. Eine neue Standortsuche sei zurzeit nicht sinnhaft. "Aus unserer Sicht werden die Befürchtungen dramatisiert." Johannes Wolbeck, Leiter des Awo-Altenheims

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