Stefan Mörsdorfs neuer Job Pilger statt Schwerstpflegefall

Saarbrücken. · Nach einem Hirnschlag entdeckte Ex-Minister Stefan Mörsdorf die heilende Kraft des Pilgerns. In einem Buch erzählt er darüber.

 Stefan Mörsdorf im Dezember 2015 in der Klinik St. Hedwig in Illingen und im Juli 2016 als Pilger  zwischen Wintringer Hof und Auersmacher.  

Stefan Mörsdorf im Dezember 2015 in der Klinik St. Hedwig in Illingen und im Juli 2016 als Pilger  zwischen Wintringer Hof und Auersmacher.  

Foto: Stefan Mörsdorf

„So viel Eitelkeit darf sein“, so endet das Vorwort von Stefan Mörsdorfs Buch „Schritt für Schritt“. Aber gerne doch!, will man ihm als Leser zurufen, auch wenn diese Eitelkeit 256 Buchseiten misst und uns allerhand Lektüregeduld abverlangt. Aber wer einen derart immensen Gesundungsweg absolviert hat wie der frühere Saar-Umweltminister (1999-2009) Stefan Mörsdorf (CDU), dem sei als Autor jedes einzelne Wort gegönnt. Man könnte den Prologsatz freilich auch umformulieren, in: So viel Ehrgeiz muss sein, so viel Durchsetzungs- und Kampfeswillen. Denn sonst wäre Mörsdorf (56), der 2012 eine Hirnblutung erlitt und linksseitig  gelähmt war, heute ein Schwerstpflegefall. Das prognostizierten die Ärzte, als er noch im Koma lag. Doch Mörsdorf hat sich nicht an die Ärzte-Meinung gehalten. Er sei immer schon ein Dickkopf und Sturkopf gewesen, heißt es im Buch. Wohl deshalb liegen zwischen Mörsdorfs Zeit im Rollstuhl und heute  120 Pilgerreise-Kilometer, auf dem Jakobsweg zwischen dem Kloster Hornbach und Metz. Just diesen Teil des regionalen „Sternenwegs“ beschreibt Mörsdorf  tatsächlich nahezu  „Schritt für Schritt“ in seinem Buch, das sich am ehesten als eine tagebuchartige Reisedokumentation beschreiben lässt.

Bereits Ende 2016 berichtete die Saarbrücker Zeitung ausführlich über Mörsdorfs  staunenswerte Rückkehr in ein zwar immer noch eingeschränktes, aber wieder mobiles, vor allem in ein zuversichtliches Leben. Eine Wunderheilung? Immer noch ist Mörsdorf, der linksseitig gelähmt war, eingeschränkt, geht beschwerlich, leidet unter schmerzhaften Spasmen, sieht schlecht, denn er schielt auf dem linken Auge.  Schon damals zeichnete sich ab, dass Mörsdorf das Pilgern nicht nur als physisches und mentales Ertüchtigungstraining samt vertiefender spiritueller Erfahrung verstand,  sondern als intellektuelle Herausforderung und Aufgabe. Mit der für ihn typischen Konsequenz und Vehemenz bereitete der Bücherfreak Mörsdorf mit historischen Karten, Regionalliteratur und Kulturreiseführern jeden seiner Fußmärsche  vor, dokumentierte währenddessen mit dem Handy Bauwerke und Begegnungen, machte sich detailreiche Notizen. Start: 30. April 2016, Ende: 3. Oktober 2016 in Metz. Mörsdorf pilgerte nicht am Stück, sondern in für ihn bewältigbaren Etappen. Vortrainiert wurde am Itzenplitzer Weiher; 2013 brauchte er für die 1,6-Kilometer-Tour noch drei Stunden, jetzt schafft er sie in 28 Minuten. Bei Mörsdorf reimt sich Ehrgeiz eben auch auf Verbissenheit.

Synchron zum Pilgern hatten sich Gespräche mit seinem guten Bekannten Tom Störmer ergeben, der seit zehn Jahren den regional ausgerichteten Geistkirch-Verlag führt („Saargeschichten“). Dass der Ex-Minister treffsicher  formulieren kann, ein anregender Erzähler mit ausgeprägtem Talent zur Selbstironie ist, warum das nicht nutzen? Mörsdorf  tippte sein Oeuvre mit nur einem Finger, dem der gesunden rechten Hand. Eine Strapaze, was sonst? Und ja, es ist typisch für ihn: Dieses Schreibprojekt dient einem höheren, weiteren Ziel. Denn jetzt will Mörsdorf nicht nur ein besonders guter Autor sein, er will es auch bleiben. „Ich bin nicht auf der Suche nach einem Job, aber nach einer sinnvollen Aufgabe“, sagt er. Das wäre dann der vierte Job in seinem Leben und „nicht der schlechteste“ wie Mörsdorf meint, nach Landschaftsplaner, Minister und Geschäftsführer der Asko Europa-Stiftung. Er sieht seine Zukunft so: Im Sommer pilgern, im Winter schreiben: „Pilgern ist mein neuer Job“.

Dient demnach alles nur dem Ego? Nein, sagt der Autor: „Ich möchte Menschen, die ein Handicap haben, Mut machen.“  Doch Mörsdorf hielt sich fern vom Ratgeber-Ton üblicher Lebenshilfe-Literatur, und fand zu einem leserzugewandten Stil. Vor Überausführlichkeit und manch anstrengender Wiederholung hat ihn seine kommunikative Grundhaltung allerdings nicht geschützt. Für ihn ist eben alles bedeutsam auf dieser seiner Reise wider das Aufgeben. Und Mörsdorf ist reflektiert genug, um den persönlichen Mehrwert zu erkennen: „Im Alltag gewöhnt man sich schnell daran, dass man Dinge wieder kann. Man wird schnell unzufrieden und ungeduldig.“ Das Buch verzeichne dem hingegen jeden Fortschritt und ermahne ihn zur Dankbarkeit und stärke seinen Gottesglauben. Heilung der Krankheit sei nun mal auch in der biblischen Geschichte von Lazarus nicht das Ziel, sagt er, sondern das Gesundwerden der Seele.

Letzteres befördern wohl auch die Lesungen, sie bringen Mörsdorf zu den Menschen, das Buch dient also als Brücke zurück ins öffentliche Leben, wie schon vergangene Woche auf der Leipziger Buchmesse. So ist denn bereits das zweite Buch in Planung: „Auf nach Taizé!“ 28 Etappen hat Mörsdorf 2018 vor, will am 22. April in Neufchateau los und dieses Jahr bis Dijon kommen. Das Vorwärtsstreben hat die Macht übernommen.

 Stefan Mörsdorf im Dezember 2015 in der Klinik St. Hedwig in Illingen.

Stefan Mörsdorf im Dezember 2015 in der Klinik St. Hedwig in Illingen.

Foto: Stefan Mörsdorf/Mörsdorf

Buchvorstellung: 22. März, 19.30 Uhr, Benediktinerabtei St. Mauritius in Tholey, vorher Gottesdienst (18.30). „Schritt für Schritt. Auf dem Sternenweg zurück ins Leben“ (Edition Schaumberg, 19,90 Euro)

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