"Pflegeheime bekommen zu gute Noten"

Saarbrücken. Wer sich auf das Bewertungssystem des sogenannten Pflege-Tüvs verlässt, der ist verlassen. Auf diese drastische Formel lassen sich die Äußerungen des Chefs des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen im Saarland (MDK), Jochen Messer, bringen

Saarbrücken. Wer sich auf das Bewertungssystem des sogenannten Pflege-Tüvs verlässt, der ist verlassen. Auf diese drastische Formel lassen sich die Äußerungen des Chefs des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen im Saarland (MDK), Jochen Messer, bringen. Das Notensystem, das eine bundesweite Vergleichbarkeit aller geprüften Heime gewährleisten soll, verschleiere eher die Pflegequalität als dass sie sie offenlege, so Messer gestern gegenüber der Saarbrücker Zeitung. Als Beleg schildert er einen frappierenden Fall, der sich im Saarland bei der Prüfung von neun Heimen nach den neuen 64 Einzelkriterien ergeben hätten. Die Einrichtung habe eine 3,1 erreicht, sei jedoch ein Problemfall: "Das Heim war mit Abstand das schlechteste. Die Pflegekassen und die Heimaufsicht betreiben die Schließung." Er erklärt die irre führende Tüv-Bewertung mit einer falschen Systematik. Der MDK habe nur die Möglichkeit, die Werte 0 oder 10 zu vergeben, es gebe keine Zwischenstufen, danach werde gemittelt. Gänzlich unbedeutende Kriterien würden mit für die Pflege ausschlaggebenden verrechnet. Messer: "Wenn ein Heim einen Ersten Hilfe Kurs für Mitarbeiter anbietet, erhält dies dasselbe Gewicht wie die Feststellung eines unzureichenden Dekubitus (Wundliegen). Auf diese Weise haben die Werte null Aussagekraft für Angehörige. Das kann zu schlimmen Fehleinschätzungen führen. Auch sind gute Heime nicht weit genug entfernt von den mittelmäßigen. So bieten sich kaum Anreize für Verbesserungen." Messer, der diese Kritik gestern Abend auch in einer ARD-Sendung (Report Mainz) formulierte, will seine Einlassung nicht als neuerlichen Pflegenotstands-Alarm missverstanden wissen: "Nicht die Situation in Heimen ist dramatisch, die Noten-Ermittlung läuft falsch." Messer schlägt - wie viele Pflege-Tüv-Kritiker - die Veröffentlichung der Prüfberichte des MDK und der Heimaufsicht vor. Letztere werden weiterhin geheim gehalten, also nur den Pflegeheimen und den Kassen zur Verfügung gestellt. "Die Kassen wollen Verbesserungen", so Messer. So habe der MDK Saar die Prüfkraft versiebenfacht, sprich die Anzahl der Mitarbeiter in diesem Bereich auf sieben erhöht.

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