Justiz im Saarland Personalnot hinter Gittern spitzt sich zu

Saarbrücken/Ottweiler · Im saarländischen Justizvollzug fehlen geeignete Bewerber, um alle offenen Stellen zu besetzen. Das Ministerium spricht von „besonderen Herausforderungen“.

 In den Justizvollzugsanstalten im Saarland (hier die JVA „Lerchesflur“ in Saarbrücken) spitzt sich die Personalnot weiter zu.

In den Justizvollzugsanstalten im Saarland (hier die JVA „Lerchesflur“ in Saarbrücken) spitzt sich die Personalnot weiter zu.

Foto: BeckerBredel

Die seit Jahren hinter den Gittern der saarländischen Justizvollzugsanstalten (JVA) in Saarbrücken und Ottweiler herrschende Personalnot spitzt sich weiter zu. „Noch nie war so wenig Personal im Dienst“ lautet die Klage aus der Belegschaft. Aus dem Justizministerium ist dazu nicht unbedingt ein Dementi zu hören. Pressesprecherin Sirin Özfirat verweist auf Anfrage unserer Zeitung auf „besondere Herausforderungen“ und erklärt im Rückblick auf das Jahr 2018: „Neben den vielen Altersabgängen, die durch zahlreiche Neueinstellungen aufgefangen werden konnten, waren signifikante vorzeitige Ruhestände aufgrund von Dienstuntauglichkeiten zu verzeichnen, die nicht vorhersehbar waren und daher zu Lücken in der Dienstplanung führten. Dazu kam ein hoher Krankenstand, der zeitweilig erheblich über den üblichen Zahlen lag, verbunden mit hohen Belegungszahlen insbesondere in der JVA Saarbrücken.“ Zudem sei in der Dienstplanung zu berücksichtigen, das Neueinsteiger eine Einarbeitungsphase benötigten.

Obwohl in den vergangenen Jahren nach Angaben von Markus Wollscheid, Landesvorsitzender der Gewerkschaft „Strafvollzug“, 35 Stellen dem zwischenzeitlich gestoppten Sparkurs geopfert werden mussten, sind derzeit längst nicht alle zur Verfügung stehenden Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) besetzt. Insgesamt stehen 354 Stellen im AVD zur Verfügung, 106 in Ottweiler (einschließlich offener Vollzug) und 248 im Hochsicherheitsgefängnis auf der Saarbrücker Lerchesflur. Unter dem Strich eine Stelle weniger als 2018.

Das Problem der akuten Personalnot ist aber wohl insbesondere darauf zurückzuführen, dass längst nicht alle vorhandenen Stellen besetzt sind oder nicht mehr besetzt werden können. Derzeit sind nach Angaben des Ministeriums elf Stellen vakant, etwa weil Beamte vorzeitig wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurden. Im Laufe des Jahres stehen noch weitere reguläre Pensionierungen an.

Weitere Personallücken hinter Gittern werden zudem mit Abordnungen von JVA-Mitarbeitern in andere Behörden begründet. Ein Grund für die Abordnungen zu Lasten der Personalstärke in den Gefängnissen sind beispielsweise ärztlich attestierte Vollzugsdienstunfähigkeit der betroffenen Mitarbeiter. Aktuell sind zehn Beamte, deren Stellen noch bei der JVA geführt werden, abgeordnet. Özfirat dazu: „Hier besteht ganz aktuell die Aussicht, dass von dort eine Übernahme erfolgt.“ Dann könnten die Stellen im Vollzug wieder neu besetzt werden.

Verschärft wird die andauernde Personalnot zudem durch hohe Krankenstände des im Schichtdienst arbeitenden Gefängnispersonals. Im Bereich der JVA Ottweiler, in der 76 Jugendliche und 100 Erwachsene Häftlinge (davon 22 in Saarlouis) einsitzen, waren Mitte Januar von 106 AVD-Mitarbeitern 13,86 Prozent krank gemeldet. Für die JVA Saarbrücken wird eine Krankenquote von 12,66 Prozent errechnet. Insgesamt sind in beiden Anstalten 18 Beschäftigte seit mehr als drei Monaten krankgeschrieben.

Im Saarbrücker Gefängnis „Lerchesflur“ sind derzeit 570 Gefangene untergebracht, 94 davon sitzen in Untersuchungshaft, 462 verbüßen Freiheitsstrafen. Für die Insassen in beiden Anstalten kann die Personalnot unter Umständen Einschränkungen bei den Freizeitmaßnahmen und bei den Besuchszeiten bedeuten.

Justizministerium und Personalvertreter bestätigen, dass es zunehmend schwieriger wird, geeignete Bewerber für Neueinstellungen für den uniformierten Dienst in den Haftanstalten zu finden. 2018 sollten zu zwei Terminen insgesamt 42 Nachwuchskräfte engagiert werden. Es konnten aber nur 38 Stellen dauerhaft besetzt werden. Mehr Bewerber mit Hauptschulabschluss und Berufsausbildung oder mittlerer Reife überstanden das Auswahlverfahren (Sportprüfung, Eignungstest, soziale Kompetenz) nicht oder traten die angebotenen Stellen nicht an. Im laufenden Jahr werden wiederum 40 Vollzugsbeschäftigte gesucht, die nach einem Jahr zum Beamtenanwärter werden können.

Justizstaatssekretär Roland Theis (CDU) betont: „Anstaltsleitungen und Ministerium wollen alle Möglichkeiten nutzen, um hohe Einstellungszahlen realisieren zu können.“ Bei den Anforderungen an die Kandidaten könnten aber keine Zugeständnisse gemacht werden. Im vergangenen Jahr seien so viele Nachwuchskräfte wie noch nie in den Vollzugsdienst eingestellt worden. „Wir haben die Stellen, finden aber auf dem leer gefegten Arbeitsmarkt nicht genügend geeignete Kräfte, um alle zu besetzen“, sagt der Justizstaatssekretär. Auf Job- und Ausbildungsmessen werde jetzt für den Beruf hinter Gittern geworben, so Theis.

Diesen Schritt begrüßt der Chef der Gewerkschaft „Strafvollzug“, Markus Wollscheid. Er fordert, den Vollzugsdienst attraktiver zu machen, etwa durch verbesserte Aufstiegschancen und bessere Bezahlung. So sollte die „Gitterzulage“ von monatlich 95,53 Euro, die Vollzugsbeschäftigte erhalten, der „Polizeizulage“ von 127 Euro angepasst werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort