Landtag Große Geste im Kleinen

Saarbrücken · Erstmals sprach ein französischer Politiker im Landtag. Patrick Weiten, Präsident des Départements Moselle, machte Vorschläge für mehr Zusammenarbeit.

Premiere im saarländischen Landtag: Patrick Weiten, Präsident des Conseil Départemental de la Moselle, hält eine Rede vor dem Landtag. Ministerriege und Landtagspräsident hören interessiert zu.

Premiere im saarländischen Landtag: Patrick Weiten, Präsident des Conseil Départemental de la Moselle, hält eine Rede vor dem Landtag. Ministerriege und Landtagspräsident hören interessiert zu.

Foto: BeckerBredel

„Ich bin ein Saarländer“ – mit dieser Anspielung auf das historische Berlin-Zitat von John F. Kennedy von 1963 beendete Patrick Weiten, Präsident des Conseil Départemental de la Moselle, gestern seine Rede im saarländischen Landtag. Eine große Geste im Kleinen, könnte man sagen. Historisch war es aber tatsächlich, was sich gestern im Landtag abspielte: Zum ersten Mal hielt ein französischer Politiker eine Rede vor dem Parlament. Selten war das Haus so voll, neben deutschen drängelten sich auch zahlreiche französische Journalisten auf der Pressetribüne.

Mit der Einladung der Franzosen sollte ein Zeichen gesetzt werden für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die europäische Integration – eine Woche bevor am 22. Januar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Aachen den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, den Elysée-Vertrag von 1963, erneuern. Dass das nicht in Metz oder Saarbrücken passieren wird, schien einige Politiker beider Seiten zu grämen. Schließlich, so Weiten, seien Saarland und Moselle Pioniere der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. „Wir müssen wachsam bleiben, dass diese Bemühungen in Paris und Berlin auch anerkannt werden.“

Weiten zählte die Errungenschaften dieser Kooperation auf: eine grenzüberschreitende Straßenbahnlinie, bikulturelle Kinderbetreuung (Babylingua), ein deutsch-französischer Kulturpark in Bliesbruck-Reinheim und vieles mehr. Er machte auch konkrete Vorschläge, wie es weitergehen könnte: Jede Schule in Moselle könnte eine Partnerschaft mit einer saarländischen Schule eingehen und umgekehrt. In Moselle gibt es zudem einen Junior-Département-Rat, eine politische Vertretung Jugendlicher. Etwas Ähnliches sei auch im Saarland denkbar. Der Austausch könne sicher neue Projektideen hervorbringen, so Weiten. Auch am Vorhaben des Saarlands, „IT-Hotspot“ zu werden, wolle Moselle sich beteiligen. „Ich halte es für notwendig, dass wir hier zusammenarbeiten, wir haben in Moselle komplementäre Einrichtungen“, sagte Weiten.

Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) bekräftigte den Willen der Landesregierung, die Kooperation zu vertiefen. Als drängendstes Problem bezeichnete er die Anpassungen auf rechtlicher Ebene. Wenn man etwa für Kitas, Buslinien und Bahnstrecken eine Ko-Administration, also eine gemeinsame Verwaltung wolle, müsse man den notwendigen Rahmen dafür schaffen. „Das öffentliche Recht muss flexibler werden.“

In der Debatte, die sich an Weitens Rede anschloss, wurde an Pathos nicht gespart. Von der Vorreiterrolle der Region war die Rede, vom Stolz auf das Erreichte und der historischen Bedeutung. Isolde Ries (SPD) war eine der wenigen, die ohne Pathos auskam. Sie forderte einen Ausbau des „kleinen Grenzverkehrs“. Wer Deutschland und Frankreich wirklich zusammenführen wolle, brauche einen funktionierenden ÖPNV. Vor allem für junge und ältere Menschen sei dies oft die einzige Möglichkeit, ins Nachbarland zu gelangen. Barbara Spaniol (Linke) sprach sich für einen grenzüberschreitenden Tarifverbund aus und forderte, Hürden für Handwerk und Unternehmen abzubauen.

SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn gab ein klares Bekenntnis zu Europa ab: Die Antwort auf mehr Nationalismus und Chaos in der Welt könne nie weniger Europa sein, sondern müsse immer lauten: „Lasst uns mehr Europa wagen.“ Die Partei, die mit einem Austritt Deutschlands aus der EU liebäugelt und am liebsten die Grenzen dicht machen würde, ließ sich ihre Europa­skepsis in der Debatte nicht anmerken. AfD-Fraktionschef Josef Dörr meinte lediglich, dass es beim Spracherwerb noch erhebliche Probleme gebe. Englisch spiele sowohl in Frankreich als auch in Deutschland eine wichtigere Rolle als die Sprache des Nachbarlandes. Nur mit einem gewaltigen Kraftakt könne man dies ändern.

Einstimmig beschloss der Landtag schließlich eine Erklärung, die auch vom Rat des Départements Moselle beschlossen werden soll. Darin werden die nationalen Regierungen aufgefordert, die Zusammenarbeit in der Grenzregion stärker zu unterstützen – auch finanziell.

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