Neues Gesetz Neues Gesetz erreicht nur wenige Prostituierte

Saarbrücken · Von den rund 1000 Sexarbeiterinnen im Land haben sich erst 29 beim Amt angemeldet. Betroffene kritisieren die neuen Regeln.

 Sexarbeiterinnen drohen bis zu 1000 Euro Bußgeld, wenn sie ohne „Hurenpass“ unterwegs sind, also nicht registriert sind. Kontrolliert werden soll derzeit allerdings nicht.

Sexarbeiterinnen drohen bis zu 1000 Euro Bußgeld, wenn sie ohne „Hurenpass“ unterwegs sind, also nicht registriert sind. Kontrolliert werden soll derzeit allerdings nicht.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Die seit Jahresbeginn gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung von Prostituierten kommt im Saarland nur schleppend voran. Nach Angaben des Regionalverbands Saarbrücken, der saarlandweit für das Anmeldeverfahren zuständig ist, wurden bis dato nur 29 Meldebescheinigungen ausgestellt. Weitere 64 Termine zur Anmeldung seien vereinbart. Einer Gesundheitsberatung, die als Voraussetzung für die Anmeldung vorgeschrieben ist, hätten sich inzwischen 126 Prostituierte unterzogen, weitere 132 Termine seien gebucht.

Setzt man voraus, dass die betreffenden Personen der Gesundheitsberatung nun auch die behördliche Anmeldung folgen lassen, dann werden es insgesamt rund 200 angemeldete Prostituierte sein. Es sind allerdings bis zu 1000 Prostituierte, die nach aktuellen Polizeischätzungen im Saarland arbeiten – also fünf Mal so viele. Auch von den geschätzt rund 200 Prostitutionsbetrieben saarlandweit haben sich bislang weniger als ein Viertel (43) wie vorgeschrieben angemeldet.

Zu tun haben dürfte die geringe Anzahl aller Anmeldungen nicht zuletzt mit der von den Bundesländern stark verzögerten Umsetzung des neuen Prostitutionsschutzgesetzes, das bundesweit eigentlich seit einem halben Jahr gilt. Ein entsprechendes Landesausführungsgesetz trat im Saarland erst am 14. Dezember in Kraft. Die Gesundheitsberatung der Prostituierten – Voraussetzung für deren Anmeldung – wird seit September angeboten.

Aufgrund der Verzögerungen ahndet der Regionalverband Verstöße gegen die Anmeldepflicht vorerst nicht, wie es hieß. Laut Gesetz droht Prostituierten ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro, wenn sie ohne „Hurenpass“ erwischt werden. Und das eigentlich bereits seit Jahresbeginn, denn nach dem Prostitutionsschutzgesetz hätten sich alle bis Ende 2017 anmelden müssen. Auch die Polizei führt auf SZ-Anfrage „in Absprache mit dem Regionalverband Saarbrücken derzeit keine Kontrollen nach diesem Gesetz durch“.

Die Reaktionen der Betroffenen auf das neue Gesetz fallen verhalten aus. Nach Angaben der Prostituierten-Beratungsstelle Aldona in Saarbrücken ist die Anmeldepflicht bei „einigen mit der Angst verbunden, dass ihr Umfeld von der Tätigkeit erfährt“. Trotz offiziellen Datenschutzes. Zudem werde die verpflichtende Gesundheitsberatung von einigen Frauen als lästige bürokratische Hürde empfunden. Auch schaffe das neue Gesetz neue Unsicherheiten, da viele Frauen in mehreren Bundesländern arbeiteten und die Umsetzung der Vorschriften dort jeweils unterschiedlich verlaufe. Die Beratungsstelle Aldona selbst bewertet das Gesetz – weil es Regeln einführt, wo bislang kaum welche waren – als „grundsätzlich positiv“. Allerdings werde sich erst noch zeigen müssen, „ob diese Regeln auch die entsprechende Wirkung zeigen“.

Eben daran zweifelt die langjährige Prostituierte Lola aus Saarbrücken. Die 38-Jährige, die in Wirklichkeit anders heißt, sagt: „Ich finde es ja löblich, dass man mit dem Gesetz versucht, Frauen zu schützen. Aber das funktioniert nur, wenn viel mehr kontrolliert wird.“ In ihrem Studio mit bis zu acht Mitarbeiterinnen habe es in den vergangenen vier Jahren nur einmal eine Kontrolle gegeben. „In größeren Bordellen mag das anders sein“, sagt sie. Doch insgesamt – so ihr Eindruck – fehle ausreichend Personal bei den Behörden, um etwa Schwarzarbeit oder auch Menschenhandel aufzudecken. Sinnbild dafür sei bereits, dass der Regionalverband nur fünf Mitarbeiter eingestellt habe – „um die Gesundheitsberatung und Anmeldung von über 1000 Prostituierten und hunderten Bordellen abzuwickeln“. Lola glaubt, dass viele Frauen trotz der Anmeldepflicht auch weiterhin schwarz arbeiten werden. „Die wollen keine Steuern zahlen.“ Und zu glauben, dass sich Zwangsprostituierte bei der nun obligatorischen Gesundheitsberatung einer fremden Person anvertrauten und so von ihrem Schicksal erlöst werden könnten, sei „verrückt“. Zudem kritisiert sie, dass der offiziell zugesicherte Datenschutz bei der behördlichen Anmeldung Mängel habe. „Auf Briefen vom Finanzamt etwa steht mein Name und darunter ,Begleitservice’. Da weiß doch jeder, der das sieht, was ich mache.“ Auch dass sie sich aufgrund des neuen Gesetzes erneut anmelden muss, obwohl sie dies vor Jahren bereits getan habe, stört sie. Nicht zuletzt aus Kostengründen. Die Anmeldung kostet 30 Euro (bei Alias-Namen 35 Euro). Die Gesundheitsberatung ist zwar umsonst, „aber auch für die Katz’“, meint Lola. „Was die einem da sagen, weiß ich auch so.“ Sinnvoller fände sie eine kostenlose Gesundheitsuntersuchung der Prostituierten, wie es sie bis zum Jahr 2000 gegeben hatte.

Richtig wütend ist sie aber über die neuen Vorschriften für Prostituierte, die – wie sie – selbstbestimmt in einer Wohnung arbeiten. Die sehen nämlich separate Badezimmer für Freier und Prostituierte, Alarmanlagen und die strikte Trennung von Arbeits- und Privatzimmern vor. „Die erforderlichen Umbauten würden Unsummen kosten“, kritisiert Lola. Zwar heißt es im Gesetzestext ausdrücklich, dass die Kosten für die Umbauten „zumutbar“ sein müssen. „Aber wer definiert das?“ Auch sollen Sexarbeiterinnen nicht mehr in ihrer Arbeitsstätte übernachten dürfen. „Die sollen dann wohl noch ein zusätzliches Zimmer bezahlen“, höhnt sie.

Gut weg kommt bei Lola auch die Kondompflicht für Freier nicht. Im Saarland wurde sie bereits 2014 eingeführt. Als ihr Studio das eine erwähnte Mal in den vergangenen vier Jahren kontrolliert wurde, hätten die Behördenmitarbeiter noch nicht einmal geguckt, ob sie das vorgeschriebene Hinweisschild zur Kondompflicht aufgehängt hatte. „So viel zu der Kontrolle von Gesetzen, die sich die Damen und Herren da oben ausdenken“, sagt Lola. Noch heute wolle jeder zweite Kunde Sex ohne Kondom. „Und viele Frauen gehen auch darauf ein, um sich so noch etwas extra zu verdienen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort