Neue Organe retten ihr Leben

Saarbrücken · Michaela Dellmuth kann weiterleben. Sieben Jahre lang wartete die 27-jährige Saarbrückerin auf eine Spenderniere und -leber. Nun hat sie beides bekommen. Ein Glück, das nach dem Organspende-Skandal 2012 nur noch wenige hatten.

 Michaela Dellmuth (27) musste sieben Jahre auf eine Organspende warten. Foto: Oliver Dietze

Michaela Dellmuth (27) musste sieben Jahre auf eine Organspende warten. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Michaela Dellmuths neues Leben begann mit dem Tod eines unbekannten Menschen. Am 13. November 2012 bekam die 27-jährige Saarbrückerin "das größte Geschenk, das man bekommen kann". Der Unbekannte war Organspender und Dellmuth erhielt nach sieben Jahren des Wartens endlich eine lebensrettende Organtransplantation. "Mir tut es unendlich leid für die verstorbene Person und ihre Hinterbliebenen", sagt Dellmuth. "Aber der Mensch hat mir über seinen Tod hinaus geholfen und mir ein neues Leben geschenkt."

Die Saarbrückerin leidet von Geburt an am Potter-Syndrom, einem Gendefekt. Ihre eigenen Organe waren stark vergrößert, mit Zysten durchsetzt und vernarbt. Leber und Nieren stellten nach und nach ihre Funktion ein. Mehrmals kam die 27-Jährige nur knapp mit dem Leben davon. Immer wieder wurde sie von plötzlichen lebensbedrohlichen Fieberschüben heimgesucht. Ihr Leben wurde zur Tortur. Drei Mal pro Woche musste sie stundenlang zur Dialyse. An normales Essen oder Trinken war nicht zu denken. Fast die Hälfte ihres Lebens hat Dellmuth in Krankenhäusern oder Wartezimmern von Arztpraxen verbracht. Nun hat sich alles geändert.

Der erlösende Anruf kam an einem Montagabend vor dem Fernseher. "Wir haben Organe für dich", klang die Stimme ihres Arztes durch das Telefon. Für Dellmuth war es zuerst unfassbar: "Man wartet so lange auf diesen Anruf, und dann trifft es einen wie ein Schock. Ich habe nur noch funktioniert, die Gefühle ausgeschaltet." Die Fahrt in eine Mainzer Klinik, in der Dellmuth schon "Stammgast" ist, dauert so lange wie nie zuvor. Tausend Gedanken gehen ihr durch den Kopf. Wie wird ihre Zukunft aussehen? Werden die neuen Organe vom Körper angenommen? Manchmal - das weiß sie gut - kann es sein, dass Organe nicht passen, zu groß oder zu klein sind. Dann wäre die Fahrt ins Krankenhaus umsonst gewesen. Doch Michaela Dellmuth hat Glück. Bei der achteinhalb Stunden dauernden Operation läuft alles gut. Bis heute zeigen sich keine Abstoßungsreaktionen.

Andere Menschen, die auf eine Organspende warten, hatten 2012 weniger Glück. "Die Spendenbereitschaft ist nach dem deutschen Organspende-Skandal auf das Niveau des Jahres 2000 zurückgefallen", erklärt Klaus Schmitt vom Info-Team Organspende Saar. Im Vergleich zu 2011 waren es 2012 437 Organe weniger. "Potenziell 437 Menschenleben mehr, die man hätte retten können", sagt Schmitt. Auch im ersten Quartal 2013 fielen die Spenderzahlen weiter. "Der Skandal hat praktisch zehn Jahre Aufklärungsarbeit zunichte gemacht, pro Tag sterben vier Menschen, weil sie keine Organspende bekommen."

Michaela Dellmuth darf weiterleben: "Ich habe jetzt eine Liste, in der ich alles sammle, was ich zum ersten Mal nach der OP wieder gemacht habe." Zum ersten Mal wieder am Saarbrücker Staden, endlich wieder Bratkartoffeln essen oder ein alkoholfreies Weizenbier trinken. Kleinigkeiten, die vorher unmöglich waren, jetzt aber umso mehr Freude machen. Nach sieben Jahren des erschöpften Herumliegens wird Dellmuth wieder aktiv, hat keine körperlichen Einschränkungen mehr, kann ihr Leben wieder genießen. Im Oktober will sie ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin fortsetzen, die sie wegen ihrer Krankheit abbrechen musste. Auch den ersten Urlaub seit langem plant Dellmuth. "Ich werde dem unbekannten Spender den Rest meines Lebens dankbar sein", sagt sie.

Zum Thema:

Auf einen BlickDas Infoteam Organspende klärt am 1. Juni anlässlich des Tages der Organspende zusammen mit dem Ministerium für Gesundheit und der Deutschen Stiftung Organtransplantation in der Saarbrücker Bahnhofstraße (auf Höhe der Thalia-Buchhandlung) über Organspende auf. Vor Ort kann man auch einen Organspendeausweis ausfüllen. fre

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