Kriegsheld Maréchal Ney Der Saarländer, der Napoleon abdanken ließ

Saarlouis · Michel Ney ist kein wirklicher Prominenter im Saarland. Warum? Saarlouis zeigt „Maréchal Ney. Stationen eines beherzten Lebens“.

 Wurde in der Saarlouiser Bierstraße groß und in Metz zum Soldaten ausgebildet: Michel Ney (1769-1815).

Wurde in der Saarlouiser Bierstraße groß und in Metz zum Soldaten ausgebildet: Michel Ney (1769-1815).

Foto: Benedikt Loew/Stadtarchiv

Als das Historische Museum Saar vor einem Jahr „Prominente Menschen aus dem Saarland“ vorstellte, sortierten sie Michel Ney (1769-1815) unter ferner liefen ein. Tatsächlich spielt dieser Mann, der Militärgeschichte schrieb und auf unzähligen Monumentalgemälden in den bedeutendsten Museen der Welt auftaucht, im kollektiven Gedächtnis der Saarländer nicht die Rolle, die ihm als maßgebliche Figur der Napoleonischen Zeit zustünde. Just deshalb findet die Jubiläumsausstellung zu Neys 250. Geburtstag auch nicht in einem großen Saarbrücker Museum oder gar an mehreren Standorten statt, sondern im Städtischen Museum Saarlouis, einem Ein-Personen (!)-Betrieb, was heißt: unter personell wie finanziell gänzlich unzulänglichen Bedingungen. Zumindest dann, wenn aus einer Ausstellung mehr werden soll als eine solide Aufarbeitung eigener Bestände. Geld für Leihgaben, geschweige denn für Prunkstücke, war nicht da. Ein Jammer.

Doch dieser Negativreflex verliert sich schnell im Laufe des Rundgangs. Denn es ist ein reiches, mit 185 Exponaten bestücktes Spektrum, das man hier in neun Kapiteln abschreitet. Und begreift: Der „Tapferste der Tapferen“, wie ihn Napoleon nannte, wenn er Ney nicht gerade als „mon Cousin“ ansprach, war ein Superheld seiner Epoche. Man stellte ihn sich als Bronzestatue auf den Kaminsims, in der Pose eines Degen zückenden Reiters – der Inbegriff eines verwegenen Kriegshelden. Direktor und Kurator Benedikt Loew hat solcherart Ney-Devotionalien in einer eigenen Ney-Souvenir-Abteilung zusammengestellt. So wird das spannende Thema Rezeptionsgeschichte zumindest angerissen. 1865 pilgerte sogar der berühmte Schriftsteller Victor Hugo zu Neys Saarlouiser Elternhaus in der Bierstraße, wie eine Zeichenskizze in der Schau belegt. Selbst bei den Briten, gegen die Ney Krieg führte, genoss der Franzose einen Ruf wie Donnerhall. Weil er einen britischen Offizier aus der Gefangenschaft beurlaubte, damit der seine sterbende Mutter ein letztes Mal sehen konnte? Jedenfalls tauften die Briten noch 1915 ein Marineschiff auf seinen Namen. Ein Foto belegt es.

Solche neuen Trouvaillen bleiben freilich die Ausnahme. Ansonsten liefert die Schau eine inszenatorisch unambitionierte, trotzdem lohnende Nacherzählung des gut erforschten Lebensweges des „Beau-Sabreurs“, des Säbelhelden Ney. Der legte einen bemerkenswerten Aufstieg hin, fühlte sich jedoch in feinen Kreisen unwohl, und auch seine Beziehung zum Kaiser war weniger innig, als die Illustratoren dies auf ihren Kupferstichen suggerieren, auf denen sie Ney grundsätzlich Kopf an Kopf mit Napoelon ins Bild rückten. Doch Ney war kein Staatsmann, sondern „der Schrecken des Krieges“, so steht es auf seinem Marschallstab, der hier ausgestellt ist. 100 Schlachten in 21 Dienstjahren, darunter weltberühmte wie die Völkerschlacht von Leipzig (1813) – Töten als Profession. Das führt nun mal nicht zu ungebrochener Verehrung und erklärt zumindest in Teilen, warum die Saarländer Distanz halten zu dem Saarlouiser. Zumal die Beurteilungen von Neys militärischem Geschick und Einsatz divergieren – von umsichtig bis unbesonnen, von tapfer bis brutal. Dies erfährt man im Wandtext und der sehr guten Begleitschrift. Generell bemüht sich die Schau um eine differenzierte „neutrale“ Sicht. Analytische Tiefenbohrungen fehlen. 

Doch wie war er wirklich, der Ney? Unbestritten ist, dass der hochdekorierte General immer mitten unter seinen Leuten blieb und „bewaffnet wie ein schlichter Soldat das Leben wagte“, so ein Augenzeugen-Bericht. Im grausam verlorenen Russland-Feldzug soll Ney als letzter Mann der Grande Armée russischen Boden verlasen haben. In Waterloo wurden fünf Pferde unter ihm weggeschossen.

Kurator Loew sieht Ney vor allem als „beherzten Mann“, der sich und andere nicht schonte. Sogar Napoleon nicht, der ihn 1804 zu einem von 14 Marschällen des Kaiserreiches ernannt hatte. Es war Ney, der den französischen Kaiser zur Abdankung zwang, indem er ihm verklarte: genug der Verluste. Die Soldaten gehorchen nur noch den Generälen. Warum Ney zu den Bourbonen überlief, um nach Napoleons Rückkehr aus Elba wiederum für den Kaiser in die Schlacht zu ziehen – das klärt sich hier nicht auf. Auch nicht, warum dieser Haudegen alle Chancen zur Flucht ablehnte und die Bauernopfer-Rolle eines Hochverräters bewusst annahm. Legendär sein Verzicht darauf, sich als „Deutscher“ dem französischen Recht zu entziehen. Zur Zeit seines Prozesses war Saarlouis bereits wieder deutsches Terrain. Doch Ney entschied: „Ich bin Franzose, ich werde als Franzose sterben!“ Ohne Militärabzeichen ging er in den Erschießungstod. Ein Kupferstich von 1869 deutet an, dass man die Exekutions-Soldaten zwingen musste zu schießen.

„Maréchal Michel-Ney – Stationen eines beherzten Lebens“, Alte-Brauerei-Straße, bis 10. Juni. Di bis Fr, 10 bis 13 und 14 bis 17 Uhr, Sa, So, Feiertag: 14 bis 17 Uhr.

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