Mythenjäger spüren Kinogeschichte nach

Völklingen. Wieviel Zeit sie in den letzten Monaten in ihr Projekt investiert haben, wissen Hendrik Kersten und seine Mitstreiter Susanne Rist, Michael Samsel und Dr. Klaus-Peter Fox nicht. Aber gemessen am komplexen Endprodukt müssen es Stunden um Stunden gewesen sein

Völklingen. Wieviel Zeit sie in den letzten Monaten in ihr Projekt investiert haben, wissen Hendrik Kersten und seine Mitstreiter Susanne Rist, Michael Samsel und Dr. Klaus-Peter Fox nicht. Aber gemessen am komplexen Endprodukt müssen es Stunden um Stunden gewesen sein. Gestern präsentierten die Völklinger Mythenjäger, ein Volkshochschul-Arbeitskreis, in der Villa Theis das Resultat ihrer ersten stadtgeschichtlichen Recherche "100 Jahre Völklinger Filmtheater - von 1910 bis 2010". Bunt, anschaulich und lebendig ist es ausgefallen, "eine andere Art der Aufarbeitung", sagte VHS-Direktor Karl-Heinz Schäffner.Eine reich bebilderte Broschüre beschäftigt sich mit einer Zeit, als Völklingen boomte und sage und schreibe sechs Lichtspieltheater hatte. Als ein Filmstars wie Hans Albers zu Premieren kam und in der Villa der Kinodynastie Theis - so wird berichtet - gerne dem Whisky zusprach. Es war die Nachkriegszeit, als jährlich eine Million Besucher in die Völklinger Kinos strömte. Die Karte kostete zwischen 20 und 50 saarländische Franken - bis 1959, bis zum wirtschaftlichen Anschluss an Restdeutschland und der Einführung der Deutschen Mark auch im Saarland. So zeigt es die Statistik, akribisch geführt vom damaligen Betreiber des Residenz-Kinos, Günther Theis, der vor einigen Jahren alle früheren Geschäftsunterlagen dem Völklinger Stadtarchiv überließ. Eine Fundgrube für die Mythenjäger. Mit der Mark kam auch das Fernsehen, sagt Kersten, "und damit gingen auf einen Schlag 50 Prozent weniger Besucher in Völklingen ins Kino". Auch dieser Epoche haben die Mythenjäger nachgespürt und sie dokumentiert.

Ebenso wollen sie einem alten Film zu neuen Ehren verhelfen. 1928, anlässlich des 100. Geburtstages des Völklinger Turnvereins, gab es einen bombastischen Umzug durch die Hüttenstadt. Von diesem Großereignis ließ der Vater von Günther Theis einen Film drehen. Der Film verschwand in Dosen verpackt im Keller der Villa Theis und wurde vergessen, bis Günther Theis ihn Anfang der 60er Jahre fand, ihn von der Röchling Werkskapelle vertonen und für eine Mark Eintritt im Kino vorführen ließ. Dann wurde der Film wieder vergessen. Die Mythenjäger legen ihn nun als DVD auf, erhältlich für zehn Euro (inklusive Broschüre) ab 15. Oktober bei der Volkshochschule, Tel. (0 68 98) 13-25 81.

Um einen Hauch jener "Goldenen Jahre" wieder nach Völklingen zu bringen, organisieren die Mythenjäger mit Unterstützung des Residenz-Kinos zwei Kinovorstellungen (siehe "Auf einen Blick").

Und sie sind schon der nächsten Geschichte auf der Spur. Es geht um den Schuster Voigt, der als Hauptmann von Köpenick in die Literatur einging. "Der gab in Völklingen ein Gastspiel", berichtet Hendrik Kersten. "1959 gingen auf einen Schlag 50 Prozent weniger Besucher ins Kino."

Hendrik Kersten, Kunsthistoriker

Auf einen Blick

 Auch Caterina Valente machte einige Male einen Abstecher in die Hüttenstadt. Foto: SZ

Auch Caterina Valente machte einige Male einen Abstecher in die Hüttenstadt. Foto: SZ

 Hans Albers war in der Nachkriegszeit mehrfach Gast in der Villa Theis. Foto: KHE

Hans Albers war in der Nachkriegszeit mehrfach Gast in der Villa Theis. Foto: KHE

Am 15. Oktober, 18.30 Uhr, ist im Residenz-Kino Filmpremieren-Atmosphäre der 50er Jahre mit rotem Teppich und Blitzlichtgewitter zu erleben. Der Film: "Casino de Paris" (1957) mit Caterina Valente und Gilbert Bécaud. "Schön wäre, wenn die Zuschauer in Frack und Fummel kämen", sagt Hendrik Kersten. Ab 22 Uhr ist Filmparty im Palais Royal. Am 16. Oktober, 14 Uhr, folgt "Emil und die Detektive" (1954). red

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