Moderne Technik-Jobs in historischer Penne

St. Wendel. Ein Hauch von Bohnerwachsgeruch hängt in der Luft des historischen Schulgebäudes. Nicht so streng wie einst. Könnte sein, dass Sinne täuschen. Weil einen vorm Betreten über die Treppe des Sandsteinkolosses in der St. Wendeler Gymnasialstraße Erinnerung an die eigene Schulzeit einholt. Denn unterrichtet wird in diesem Haus längst nicht mehr

St. Wendel. Ein Hauch von Bohnerwachsgeruch hängt in der Luft des historischen Schulgebäudes. Nicht so streng wie einst. Könnte sein, dass Sinne täuschen. Weil einen vorm Betreten über die Treppe des Sandsteinkolosses in der St. Wendeler Gymnasialstraße Erinnerung an die eigene Schulzeit einholt. Denn unterrichtet wird in diesem Haus längst nicht mehr. Keine Rasselbanden, die nach dem Pausengong aus Klassensälen stürzen und Korridore in Richtung Schulhof entlangsausen. Kein Ort, wo die Zeugnisausgabe am Schuljahresende für Freude und Tränen sorgt.Zuletzt waren hier Büros des Landkreises untergebracht. Nun soll das Bauwerk von 1876 und ein rund 100 Meter weiter stehender Komplex in der Wendalinusstraße, zuletzt in Stadt-Besitz, zum Technologiezentrum werden. Moderne zieht ins Denkmal.

Investoren sind St. Wendeler Geschäftsleute, die das private Helene-Demuth-Technikum, kurz: HD-Tech, aufbauen wollen: die Brüder Ralph (43) und Peter (47) Hoffmann sowie der Elektrounternehmer Christof Grevener (44). Dafür geben sie 1,5 Millionen Euro für Renovierung und Aufbau elektronischer Infrastruktur aus, berichtete Ralph Hoffmann. Auf 1300 Quadratmetern des einstigen Gymnasiums und 880 Quadratmetern des 1869 als Volksschule eröffneten Komplexes sollen 100 Arbeitsplätze, Büros, Gemeinschaftsräume, Sitzungssäle entstehen.

Zwei Mieter sind schon unter: Detlef Müller, gebürtiger St. Wendeler, kümmert sich um den Aufbau zwei unabhängig voneinander agierender Rechenzentren, die von IT-Unternehmen als lokale Speichereinheit für Daten genutzt werden können. Müller: "Es gibt deutschlandweit nicht viele Rechenzentren dieser Größenordnung; ich schätze zehn." Damit blieben Firmendaten, darunter durchaus sensible Infos, vor Ort und "nicht in einer anonymen Wolke", wie es Müller beschrieb. Der Fachmann für Datendienstleistungen spricht von lokalen Clouds (englisch: Wolke), Speicherbereiche, die regional begrenzt sind. In deren Aufbau investiere er im ersten Schritt 500 000 Euro. Dieser Betrag werde sich verdoppeln.

Ulli Lehmann, ursprünglich aus dem Rhein-Main-Gebiet, siedelte sich in St. Wendel an. Binnen drei Jahren will er zwei Millionen locker machen. Er befasst sich mit Personaldienstleistungen.

Allerdings geben sich sowohl Investoren als auch Landrat Udo Recktenwald und Bürgermeister Klaus Bouillon (beide CDU) wortkarg, was die Betreiber für beide Häuser hingeblättert haben. Der Kauf ging laut Ralph Hoffmann Mitte des Jahres über die Bühne, nachdem Stadtrat und Kreistag dem Verkauf zugestimmt hatten. Recktenwald ließ sich gestern während der Pressekonferenz nur entlocken: "Der Kreistag hatte vor einem Jahr die Wahl zwischen vier Anbietern. Nicht allein der Kaufpreis, sondern das Konzept war für die Entscheidung ausschlaggebend." Der Landrat halte das geplante Kompetenzzentrum IT fürs geeignete Konzept. Recktenwalds Vorschusslorbeeren: "Da sind die Richtigen am Werk."

Bürgermeister Bouillon pflichtete bei, verwies auf Erfolge der Zusammenarbeit zwischen Kreis und Stadt zurückliegender Jahre: "Über 6000 Arbeitsplätze sind entstanden, 800 Firmen haben sich angesiedelt." Hier gehe die Zusammenarbeit weiter, könnten Firmen mit Hilfe der Wirtschaftsförderung rechnen.Foto: Museum

Zur Person

Helena Demuth (auch Helene oder Lenchen) ist am 31. Dezember 1820 geboren. Die St. Wendelerin war fünftes von sieben Kindern des Bäckers Michel Demuth.

1837 kam sie ohne Berufsausbildung nach Trier. Als Dienstmädchen arbeitete sie bei der Familie des Trierer Regierungsrates Johann Ludwig von Westphalen. Dessen Tochter Jenny heiratete den politisch engagierten Journalisten Karl Marx (Das Kapital). Demuth wechselte in die Marx-Familie, zog mit dieser 1845 nach Brüssel. Weitere Stationen waren Paris und Köln. Letztliches Exil war mit der Familie um den Kommunisten Marx London, wo sie auch am 4. November 1890 starb.

Nach Marx' Tod 1883 wechselte sie in die Familie seines politischen Weggefährten Friedrich Engels.

Am Rande: 1851 bekam Lenchen Demuth einen Jungen. Doch den Namen des Vaters behielt sie Zeit Lebens für sich. Mutmaßungen: Das Kind könnte von Karl Marx sein.

Ehrungen: Die Stadt St. Wendel errichtete dieses Jahr eine Bronzestatue in der Innenstadt. hgn

Auf einen Blick

Das IT-Kompetenzzentrum soll laut Mitinitiator Ralph Hoffmann Betriebe miteinander verknüpfen und Synergien nutzen. Unternehmen, die für Computerprogramme (Software) verantwortlich sind, gehören demnach ebenso dazu wie Anbieter entsprechender Computernetze. Zudem gehe es um die Förderung hochqualifizierten Personals. Im Saarland sei solch eine Initiative der Privatwirtschaft einmalig.

Stichwort IT: Abkürzung für Informations- und Datentechnik/-verarbeitung. hgn

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