Mauerspecht traf Uwe Seeler

Bildstock. Heute kann er drüber lachen, vor 20 Jahren aber war ihm ziemlich mulmig zumute. Als unser treuer Leser-Reporter Jürgen Weis (67) aus Bildstock neulich die SZ-Redaktion besuchte, kam er nicht mit leeren Händen. Aus einem Beutel holte er ein paar Bröckchen Beton heraus. Souvenirs der ganz besonderen Art. Denn bei diesen handelte es sich um kleine Stücke der Berliner Mauer

Bildstock. Heute kann er drüber lachen, vor 20 Jahren aber war ihm ziemlich mulmig zumute. Als unser treuer Leser-Reporter Jürgen Weis (67) aus Bildstock neulich die SZ-Redaktion besuchte, kam er nicht mit leeren Händen. Aus einem Beutel holte er ein paar Bröckchen Beton heraus. Souvenirs der ganz besonderen Art. Denn bei diesen handelte es sich um kleine Stücke der Berliner Mauer.Und dann holte Jürgen Weis noch ein Blatt Papier hervor. Ein im Rückblick betrachtet kurioses Schreiben, das von vor 20 Jahren stammt und verfasst ist von der "Zollverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik". Ja, die gab's noch Anfang 1990, erst am 3. Oktober war die deutsche Wiedervereiningung vollzogen. Und so lange war die DDR noch präsent. Fangen wir von vorne an. Als die Mauer schon reichlich löcherig war, machte sich Jürgen Weis auf nach Berlin. Es war der 20. Januar 1990. Den Fotoapparat hatte er auch dabei. 40 D-Mark tauschte er um in 120 Ostmark. Unvorstellbar war es für ihn bis dahin, durchs Brandenburger Tor zu gehen. Doch dann war es so weit: "Unter dem Tor, durch das Tor, auf der Mauer, noch schnell rechts hinaus, direkt wieder durch die Mauer links hinein, und dann geschah's: Es kamen zwei Uniformierte auf ihn zu und nahmen ihm seine 120 Ostmark weg. Die Begründung der DDR kam einige Wochen später per Post nach Bildstock. In dem Brief wurde unserem Leser erklärt: Man habe festgestellt, "dass Sie bei Ihrer Einreise am 20. 1. 1990 ( ) 120 Mark mitführten. Nach Ihren eigenen Angaben erwarben Sie diese Zahlungsmittel während eines Aufenthaltes in der Hauptstadt der DDR durch Umtausch von 40 DM mit einer unbekannten Person auf der Straße. Dieser Umtausch stellt einen ungenehmigten Devisenwertumlauf dar. Mit Ihrer Handlungsweise verletzten Sie die Ihnen obliegenden Rechtspflichten, was die Einziehung zur Folge hatte." Und so weiter und so fort - sehr staatstragend. Bleibt noch zu erwähnen, dass Uwe Seeler an Jürgen Weis vorbeilief. Ihm schickte unser Leser ein paar nette Zeilen und Bilder und erhielt prompt auch ein nettes Schreiben zurück - plus Autogramm.Und das Fazit der Geschicht': Nicht lange danach waren die Scheinchen, die die uniformierten Mannen der DDR unserem Saarländer abgeknöpft haben, bloß noch Spielgeld. Es gab Bargeld aus dem Westen. Geblieben ist die Erinnerung an die aufregende Zeit vor 20 Jahren, als zusammenwuchs, was zusammengehört.Abschließend meint unser Bildstocker Mauerspecht: "Ich habe ein Stück Mauer abgemeißelt und werde mich im Oktober - wenn die Gedenkfeiern sind - sehr gerne wieder daran erinnern."

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