„Man sollte die Zecke nicht ärgern“

Zecken können Borreliose übertragen, eine Infektionskrankheit, gegen die es keine Impfung gibt. Doch kein Grund zur Panik, erklärt Professor Mathias Herrmann vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum in Homburg im Gespräch mit SZ-Redakteurin Nora Ernst. Er reagiert damit auf den Bericht „Zahl der Zecken-Impfungen steigt“ (12. August).

Herr Professor Herrmann, wie gefährlich ist die Borreliose?

Herrmann: Es gibt kaum eine Infektionskrankheit, bei der so viel Unsicherheit besteht und über die so viel Fehlinformation kursiert wie bei der Borreliose. Sie ist eine ernst zu nehmende, aber keine bedrohliche Krankheit.

Wie kann ich mich vor einer Infektion schützen?

Herrmann: Man sollte sich gründlich nach Zecken absuchen, nachdem man in der Natur war. Und wenn man fündig wird, sollte die Zecke so schnell wie möglich entfernt werden.

Also nicht erst noch in der Apotheke eine Zeckenkarte besorgen?

Herrmann: Nein, auf keinen Fall. Je länger die Zecke sich festbeißt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion.

Wie entfernt man eine Zecke richtig?

Herrmann: Man sollte sie mit einer Pinzette oder zur Not mit den Fingernägeln vorsichtig herausziehen, ohne sie zu drehen oder zu quetschen.

Besteht da nicht die Gefahr, dass Teile in der Haut stecken bleiben?

Herrmann: Das wäre nicht so schlimm. Wenn Teile des Bissapparates in der Haut bleiben, sollte man die Stelle gründlich desinfizieren. Mehr ist nicht nötig, weil in der Regel der Verdauungsapparat der Zecke, in dem sich die Borrelien befinden, entfernt wurde. Was man auf jeden Fall vermeiden sollte, ist, die Zecke vorher zu ärgern, indem man sie mit Kleber oder Nagellackentferner beschmiert. Im Todeskampf entleert die Zecke nämlich ihre Speicheldrüsen und Verdauungsorgane.

Kann die Borreliose auch durch Mücken übertragen werden?

Herrmann: Nein, das ist wissenschaftlich nicht belegt. Im Labor sind zwar Borrelien-ähnliche Bakterien vereinzelt auch in Moskitos gefunden worden, für die Übertragung auf den Menschen sind aber ausschließlich Zecken verantwortlich. Viele Patienten können sich nur nicht an den Zeckenbiss erinnern. Es können ja bereits Larven beißen, und die sind mit dem bloßen Auge kaum sichtbar.

Welche Symptome treten bei einer Borreliose auf?

Herrmann: Häufig bildet sich um den Zeckenbiss eine ringförmige Rötung. Das muss aber nicht sein. Wird der Zeckenbiss nicht bemerkt, entsteht eine chronische Borreliose und die kann sich in sehr unterschiedlichen Symptomen äußern. Die treten teilweise erst Monate oder Jahre nach dem Biss auf. Das kann dann von Lähmungen über diffuse Schmerzen bis hin zu Verhaltensänderungen reichen.

Heißt das, die Borreliose ist schwer zu diagnostizieren?

Herrmann: Nein, an sich nicht. Vor allem in der Frühphase nicht. Aber je länger die Patienten bei einer chronischen Borreliose mit den Symptomen leben, desto schwerer fällt es ihnen, sie eindeutig auf die Krankheit zurückzuführen.

Wie sind die Heilungschancen?

Herrmann: Wird eine akute Borreliose direkt mit Antibiotika behandelt, ist das in über 90 Prozent der Fälle erfolgreich. Bei einer chronischen Borreliose kann man den Erfolg nicht so eindeutig feststellen, weil es Wochen oder Monate dauern kann, bis der Patient auf die Therapie anspricht. Allerdings kommt es auch in diesen Fällen meist zur Genesung.

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