"Mama" und "Papa" dringend gesucht

Saarbrücken. Wenn der neunjährige Hieu De seine kleine Schwester Michelle in den Arm nimmt und strahlt, sieht man zwei glückliche Kinder. Sie wohnen in Saarbrücken, leben bei Claus (52) und seiner Frau Caroline (46). Beide Kinder sind nicht "leiblich", bei Hieu De ist das nicht zu übersehen

Saarbrücken. Wenn der neunjährige Hieu De seine kleine Schwester Michelle in den Arm nimmt und strahlt, sieht man zwei glückliche Kinder. Sie wohnen in Saarbrücken, leben bei Claus (52) und seiner Frau Caroline (46). Beide Kinder sind nicht "leiblich", bei Hieu De ist das nicht zu übersehen. Der kleine Vietnamese wurde anonym geboren, von der Mutter in einem Krankenhaus in Vietnam als Baby zur Adoption freigegeben. Das Saarbrücker Ehepaar hat ihn adoptiert, und das lief perfekt ab. "Mit dem Jugendamt und einer Organisation in Vietnam lief die Adoption wie am Schnürchen", sagt Claus. Alles sei vorbereitet gewesen, jede Absprache eingehalten worden. Neun Jahre lebt Hieu De jetzt in Saarbrücken, besucht die Grundschule und redet Saarländisch. Seine Schwester ist auch kein leibliches Kind der Familie. Sie ist ein Pflegekind und damit der Anlass unserer Reportage. Denn das Saarbrücker Jugendamt sucht Pflegeeltern. "Wir haben sechzehn Bereitschaftspflegefamilien im Regionalverband", sagt Edith Hüther vom Jugendamt des Regionalverbandes. Diese Familien würden Kinder in akuten Krisen- und Notsituationen kurzzeitig aufnehmen. Solche Familien suche man nicht, betont die Abteilungsleiterin. Das Amt sucht Familien, die eventuell über eine Alternative zur Adoption nachdenken, die ein Kind dauerhaft aufnehmen würden. Bei Michelle ist die Lage klar. Ebenso wie Hieu De wissen die Kinder Bescheid. Michelle wurde von einer minderjährigen Mutter geboren, die war überfordert, wünschte den Pflegeplatz. Während Michelle zur leiblichen Mutter keinen Kontakt hat, sieht sie die leiblichen Großeltern regelmäßig. Die Pflegeeltern sind "Mama" und "Papa". Derzeit gibt es keinen Zweifel, dass Michelle in der Familie von Claus und Caroline aufwachsen wird. Eine Rückführung ist nicht mehr in Sicht, auch wenn die Mutter eine Adoption abgelehnt hat. Sie hat das Sorgerecht weiterhin, hat den Pflegeeltern aber umfassende Vollmachten ausgestellt. "Juristisch ist bei Pflegekindern eine Rückführung immer möglich", sagt Edith Hüther. "Man kann das nicht hundertprozentig ausschließen. Aber in der Praxis kommt das kaum vor", sagt sie. Es reiche auch nicht der Wunsch der leiblichen Eltern, das Kind wiederhaben zu wollen. Ein Gericht prüfe sorgsam, wo das Kind am besten untergebracht ist. Oft bleibe es trotz Rückführungswunsch in der Pflegefamilie. Derzeit gibt es rund 300 Pflegekinder im Regionalverband, der Bedarf sei groß. Dass man für Pflegekinder Pflege- und Kindergeld bekommt, ist kein Geheimnis. Das Jugendamt verhindert jedoch, dass jemand mit Pflegschaften Geld verdienen will: "Wir finden die wahren Motive schnell heraus, und außerdem müssen Pflegeeltern sichere wirtschaftliche Verhältnisse nachweisen", erklärt Hüther. Hieu De und Michelle wissen beide um ihre Herkunft. "Wir spielen immer mit offenen Karten", sagt Pflegevater Claus: "Wir stehen zu diesen beiden Kindern, wie wir zu leiblichen stehen würden." Hieu De und Michelle belohnen es, sie haben Claus und Caroline als Eltern angenommen. Eine mit Kinderbildern flächig dekorierte Küche spricht Bände.

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