Literatur am Verkehrsfluss

Saarbrücken. Eine Hafenkneipe mitten in Saarbrücken? Roman Conrad weist mit einer angedeuteten Handbewegung Richtung Tür. "Da draußen haben wir einen Verkehrsfluss", sagt er. Damit ist erstmal alles erklärt. Da draußen ist die Dudweiler Straße - und da brausen selbst am frühen Sonntagabend die Autos vorbei

Saarbrücken. Eine Hafenkneipe mitten in Saarbrücken? Roman Conrad weist mit einer angedeuteten Handbewegung Richtung Tür. "Da draußen haben wir einen Verkehrsfluss", sagt er. Damit ist erstmal alles erklärt. Da draußen ist die Dudweiler Straße - und da brausen selbst am frühen Sonntagabend die Autos vorbei. Drinnen ist "Dock IV" - auch wenn über der Tür noch "Alligator" steht.Vor einigen Wochen hat Roman Conrad den "Alligator" an der Ecke Dudweiler-/Schumannstraße übernommen. Inzwischen hat er seinen Krempel aus dem Silo am Osthafen, wo er bis Sommer vergangenen Jahres seine Hafenbar betrieben hat, in den die neuen Räume gebracht. "Dock IV" verspricht Roman Conrad sei auch am neuen Standort "die angenehmste Art, die Nacht im Hafen zu verbringen".

Dazu gehören neben einem Fischernetz an der Decke und einer durchaus originellen Hafenbardekoration auch Astrabier, Fritz-Kola und Melonen-Limo aus Hamburg. Wer hier einkehrt, muss außerdem mit Hans-Albers-Liedern rechnen - und neuerdings auch mit Literatur.

Die "OBSB-Bande" hat am Sonntagabend nämlich im "Dock IV" ihren zweiten "offenen Bücherschrank Saarbrücken" (OBSB) eröffnet. In einen solchen Bücherschrank darf jeder und jede nicht mehr benötigte Bücher stellen - und sich kostenlos welche mitnehmen. Der erste Schrank steht seit Mai im Theater im Viertel.

Dort hat sich gezeigt, dass es wohl noch etwas dauert, bis das Konzept funktioniert. Es werden nämlich wesentlich mehr Bücher abgestellt als mitgenommen, sagt Christoph Endres, einer aus der Bücher-Bande. Das sei im "Dock IV" womöglich anders, hofft Diane Chlupka. Anders als das Theater im Viertel oder das Filmhaus, wo der dritte Schrank am 17. Juli, aufgestellt wird, sei diese Kneipe kein klassischer Kulturort. Das sei das besonders Spannende an diesem zweiten Schrank.

Dass das Ganze eine spannende Sache wird, glaubt Roman Conrad auch. Als Diane Chlupka gefragt habe, ob die Bücher-Bande hier ein Regal aufstellen darf, habe er schnell zugesagt, sagt der Hafenkneipenwirt. "Ich habe einen Hang zu unkonventionellen und selbstverwalteten Dingen."

Welche Bücher abgestellt werden, ist zwar schwer bis überhaupt nicht zu beeinflussen, aber Roman Conrad hofft, "dass es etwas in Richtung Seefahrt geht". Er will selbst mit Werken zum Bootsbau, mit Reiseberichten und Yachtzeitschriften dazu beitragen.

Während Roman Conrad von der Seefahrt spricht, lehnt sich Christoph Endres in einem der bequemen "Dock IV"-Sessel zurück und schließt kurz die Augen. Wer weiß, vielleicht wird aus dem Verkehrsflusses für ihn kurz Meeresrauschen. Oder denkt er einfach an den nächsten Bücherschrank?

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