Vorstoß von Regierungschef und Innenminister Lebach könnte Abschiebezentrum werden

Saarbrücken/Lebach · Um Abschiebungen zu forcieren, plant der Bund „Anker-Zentren“. Der Saar-Innenminister bietet dafür die Aufnahmestelle in Lebach an. Viele Fragen sind noch ungeklärt.

 Im Saarland ist seit Jahren bereits Praxis, was in anderen Ländern nun angestrebt wird: eine enge Zusammenarbeit der Ausländerbehörden der Länder mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am gleichen Ort. Doch wie die neuen „Anker-Zentren“ konkret aussehen sollen, ist noch nicht klar.

Im Saarland ist seit Jahren bereits Praxis, was in anderen Ländern nun angestrebt wird: eine enge Zusammenarbeit der Ausländerbehörden der Länder mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am gleichen Ort. Doch wie die neuen „Anker-Zentren“ konkret aussehen sollen, ist noch nicht klar.

Foto: rup

Es ist ruhig geworden um die Landesaufnahmestelle in Lebach. Zwar kommen jeden Monat noch immer um die 150 Asylbewerber dort an, die meisten aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und mittlerweile auch aus Nigeria. Doch ist diese Zahl weit entfernt von jenen über 2000 Menschen, die das Saarland im Herbst 2015 jeden Monat aufnahm.

Die Landesaufnahmestelle, in der aktuell rund 1000 Migranten leben, gilt bundesweit als vorbildlich. Die Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Jutta Cordt, befand im Juli 2017 bei einem Ortstermin, in Lebach sei „Beeindruckendes“ geleistet worden: Land, Bamf und Bundesagentur für Arbeit arbeiteten dort Hand in Hand, die Asylverfahren werden dort schneller bearbeitet als andernorts. Nun ist nichts so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte. Ob die Initiative, um die es derzeit geht, die Abläufe verbessern würde, ist aber umstritten.

Worum geht es? CDU, CSU und SPD haben – auf Druck der Unionsparteien – in ihrem Koalitionsvertrag auf Bundesebene verabredet, bundesweit Asyl- und Abschiebezentren einzurichten. Das Bündnis nennt sie „Anker-Zentren“, wobei „Anker“ für „Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung“ steht. Die Idee: Asylbewerber müssen nach ihrer Ankunft so lange in diesen Zentren bleiben, bis über ihren Asylantrag entschieden ist (maximal 18 Monate). Wird der Antrag abgelehnt, wird der Asylbewerber direkt aus dem Zentrum abgeschoben. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verspricht sich davon, Menschen ohne Bleibeperspektive schneller abschieben zu können. Er sucht Länder, die sich als Pilotregionen zur Verfügung stellen.

Das saarländische Innenministerium hat dem Seehofer-Ministerium per E-Mail sein Interesse bekundet. Im CDU-Teil der Landesregierung herrscht die Auffassung vor, Lebach sei eine „Blaupause für den Bund“. In der Tat bietet Lebach, was Seehofer andernorts erst noch aufbauen will: eine enge Zusammenarbeit von Ausländerbehörde (Land) und Asylbehörde Bamf (Bund) sowie der Bundesagentur für Arbeit. Auch die Größe der Aufnahmestelle und das dort geltende Sachleistungsprinzip sind nach Seehofers Geschmack.

Es gibt allerdings einen Unterschied: In Lebach müssen bis zum Abschluss des Asylverfahrens nur jene Antragsteller bleiben, deren Asylantrag wenig erfolgversprechend ist. Wer eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, dass sein Antrag gebilligt wird, kommt in einer Kommune unter – und zwar auch schon vor Abschluss seines Asylverfahrens. Diese Menschen müssten künftig also knapp einen Monat – so lange dauern die Verfahren nach Angaben aus dem Jahr 2017 im Saarland – erst einmal mit Nichtstun in der Landesaufnahmestelle verbringen.

Der Saarländische Flüchtlingsrat ist bereits alarmiert: „Die von der großen Koalition in Berlin geplanten Anker-Zentren werden die Ausgrenzung von Flüchtlingen noch mehr verschärfen, als dies jetzt schon im Lager Lebach der Fall ist.“ Das rot-gelb-grün-regierte Rheinland-Pfalz hat deshalb bereits entschieden, sich nicht an solchen Modellprojekten zu beteiligen.

Auch SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn ist der Meinung: „Es macht keinen Sinn, etwas umzustrukturieren, was super funktioniert.“ Die Sozialdemokraten sprechen von einem „Schnellschuss“ und vermuten, dass Ministerpräsident Tobias Hans und Innenminister Klaus Bouillon „auf Zuruf aus dem Konrad-Adenauer-Haus“, also von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, gehandelt hätten. Dass die „Anker“-Zentren bundesweit kommen, daran zweifelt aber auch Pauluhn nicht, weil sie nun mal im Koalitionsvertrag vereinbart wurden.

Viele Fragen sind aber noch offen. Die CDU-geführte Staatskanzlei ist der Meinung, das Bundesinnenministerium sei jetzt am Zug, sein Konzept für die Ausgestaltung der Zentren vorzustellen. „Dann sehen wir, was wir beisteuern können, damit es ein gelungenes Konzept wird“, sagt Regierungssprecherin Anne Funk. Der Bund werde etwa sagen müssen, was er an Mitteln und Personal beisteuern könne. Seehofer will in den „Anker-Zentren“ die Bundespolizei einsetzen. Doch das ist umstritten: Das Personal reiche schon für die bisherigen Aufgaben vor allem bei der Grenzsicherung nicht aus, klagt die Gewerkschaft der Polizei – und warnt vor „Isolation und Internierung“ in den Zentren.

Auch müsse der Bund, so Regierungssprecherin Funk, sagen, wie gesichert werde, dass ausreisepflichtige Asylbewerber auch tatsächlich von ihren Heimatländern aufgenommen werden. Der Bund solle auch beachten, dass die derzeitige Belegung in Lebach das Maximum dessen darstelle, was händelbar sei, wenn man die ehrenamtlichen Helfer nicht verlieren wolle.

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