Kunst aus der Natur herausreißen

Sulzbach. Aus allen Wolken gefallen. So habe er sich gefühlt, als er erfuhr, dass er den Fritz-Zolnhofer-Preis der Stadt Sulzbach 2009 erhält, erklärt Joachim Lischke (Foto: SZ). Es ist der erste Preis, den der im vergangenen Dezember 85 Jahre alt gewordene Fotograf erhält

Sulzbach. Aus allen Wolken gefallen. So habe er sich gefühlt, als er erfuhr, dass er den Fritz-Zolnhofer-Preis der Stadt Sulzbach 2009 erhält, erklärt Joachim Lischke (Foto: SZ). Es ist der erste Preis, den der im vergangenen Dezember 85 Jahre alt gewordene Fotograf erhält. Er, der Schüler von Otto Steinert in der Foto-Klasse an der ehemaligen Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk, was ihn zur launigen Selbstbezichtigung "wohl eher ein Steinert-Veteran" veranlasst. Joachim Lischke ist ein würdiger Träger des Preises, der Künstler auszeichnet, deren Schaffen Mensch und Landschaft im Zusammenspiel von Arbeit, Industrie, Handwerk und Wirtschaft zeigt. Damit ist das Lebenswerk Lischkes getreu umrissen. Früh besiegelt von der Fachzeitschrift "Photorama", die 1958 den in Ottweiler aufgewachsenen Sohn einer Juristenfamilie als Entdecker der Industrielandschaft lobte. Nicht zuletzt habe die ihn, erzählt er, mit ihren von Schlieren durchzogenen vertrockneten Schlammweihern, von Regenwasser zerfurchten Halden, den geometrischen Schattenwürfen empfänglich für Strukturen in Licht und Schatten gemacht. Was zählt, ist der "subjektive Sehprozess", sagt er und machte sich "von Anfang an zur Aufgabe, das sichtbar zu machen, was normalerweise nicht sichtbar ist: das Licht". Joachim Lischke wurde zum Lichtbildner, indem er experimentierte mit Scheuerpulver und erwärmter Gelatine. Er schuf mit einer von ihm speziell entwickelten Kamera in Chemo- und Luminogrammen einen Mikrokosmos der Strukturen in Licht und Schatten. Alles steckt in den Dingen. Es brauchte nur einen, der es erkannte. "Kunst steckt in der Natur. Wer sie herausreißen kann, der hat sie", zitiert der Fotograf einen Satz von Albrecht Dürer und hält es auch mit Picasso, der erklärte, dass er nicht suche, sondern finde. So legte er 1954 den Bildband "Die Saar" vor. Das empfahl ihn als Fotograf in Diensten der Landesbildstelle, für die er von 1955 bis 1985 arbeitete. Seine Aufnahmen von der Landschaft entlang der Saar zwischen Natur und Industrie sind Kunstwerke und Zeitdokumente zugleich. Vieles davon ist passé, der damals noch grüne Eschberg besiedelt, die Saar gefasst von einer Autobahn, die Hüttenwerke weitgehend stillgelegt. "So verändert sich die Welt und auch der Künstler, der plötzlich was anderes macht", bilanziert Joachim Lischke in eigener Sache. Die Augen lassen die Fotografie nicht mehr zu. So entstehen nun wundersame Objekte aus Fundstücken, begleitet von eigenen Gedichten. Die Aufgabe bleibt dabei dieselbe: "eine Form für das bislang Nicht-Sichtbare zu finden."

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