Interview mit Michael Patrick Kelly „Künstler sind sensible Seelen“

Saarbrücken · Michael Patrick Kelly erklärt, warum er seine Midlife-Crisis schon mit 20 Jahren hatte. Im Januar ist er im Saarland.

 Musiker Michael Patrick Kelly sagt über sich: „Ich habe keine Wurzeln im klassischen Sinne. Ich habe zum Beispiel keine Schule besucht.“

Musiker Michael Patrick Kelly sagt über sich: „Ich habe keine Wurzeln im klassischen Sinne. Ich habe zum Beispiel keine Schule besucht.“

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Vom Teeniestar zum Mönch und dann als Rockmusiker zurück auf die Bühne. Früher war Michael Patrick Kelly Sänger der „Kelly Family“. Nach einer Auszeit im Kloster hat der 39-Jährige kürzlich sein neues Album „iD“ veröffentlicht. Am 16. Januar kommt der gebürtige Ire in die Saarlandhalle Saarbrücken.

Wie kam es zum Albumtitel „iD“?

KELLY Dieses Album ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Identität“. Für mich war die Frage nach meiner Identität immer ein roter Faden. Ich habe keine Wurzeln im klassischen Sinne: Ich habe zum Beispiel keine Schule besucht. Ich war immer „On the Road“. Die Saarländer scheinen sehr von ihrer Kultur geprägt, ein richtiges „Home-Country“. Ich kenne so etwas nicht. Ich war laut Pass immer Ire und Amerikaner, habe aber viel Zeit in Deutschland, Spanien und Holland verbracht. Deswegen gab es oft die Frage „Wer bin ich?“ und „Was macht meine Identität aus?“ Trotzdem ist das Album auch eine Auseinandersetzung mit der Frage „Wer bist du?“ und „Wer sind andere?“. Zum Beispiel: Wie jemand liebt, sagt viel darüber aus, wer jemand ist. Oder „Friends Are Family“ ist ein Song für meinen Freundeskreis. Es heißt ja: „Zeig mir deine Freunde – und ich sag dir, wer du bist.“ Ebenso ist es, wenn jemand stirbt: Seine letzten Worte – was sind deine letzten Gedanken, Gefühle? – charakterisieren einen Menschen.

Zurzeit bist du viel unterwegs und hast viel Stress. Gibt es manchmal Momente, in denen du denkst: Jetzt könnte ich doch mal ein bisschen die Ruhe des Klosters gebrauchen?

KELLY Die Zeit im Studio ist eine „kreative Laborzeit“. Das ist richtig schön. Das ist zwar auch harte Arbeit, aber es ist toll und kreativ und beim Live-Spielen blühe ich auf. Als ich ein Kind war, war die Bühne für mich das Spielzimmer. Das ist mein Element. Und dazwischen gibt es immer die Promotion (lacht). Naja, die kann auch Spaß machen. Doch es ist sehr viel Arbeit in kurzer Zeit. Und da hätte man manchmal gerne einfach einen Tag Pause in den Bergen – ohne Handy. Aber in der Regel mache ich einen Offline-Tag in der Woche. Sonntags schalte ich, soweit es geht, komplett ab. Das tut gut.

Wenn du ein Kind hättest und das zu dir sagen würde: „Papa, ich möchte auch Musiker werden“, was würdest Du ihm mit allen deinen Erfahrungen als ehemaliger Teeniestar raten?

KELLY Ich glaube, das Wichtigste ist: Wenn jemand etwas mit Begeisterung tut, dann unterstütze ich das. Aber wenn es darum geht, ein Star zu sein, sehe ich das anders. Wenn man viele Kinder heute in der Schule fragt: „Was möchtest du einmal werden?“, dann lautet die Antwort „Superstar“. Das ist für viele anscheinend das Symbol für Glück. Egal, ob Fußball oder Model oder Musik – es geht einfach nur darum, berühmt zu sein. Wenn es aber darum geht, das jemand sagt: „Ich liebe Musik!“ oder „Ich will singen!“, dann würde ich das unterstützen.

Es gab auch einmal eine dunkle Phase in deiner Biografie, während du mit deinem eigenen Leben gehadert hast. Sogar deine Familie hat das nicht bemerkt. Das klingt hart ...

KELLY Künstler sind sensible Seelen und es ist nicht immer leicht, mit so viel Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit klarzukommen. Millionen von Menschen bilden sich eine Meinung über dich, reden über dich – heute top, morgen flop. Machst du einen Fehler, dann geht’s ab. Und damals hatte ich einen hohen Erwartungsdruck. Ich war vielleicht 18 oder 19 Jahre alt, musikalischer Leiter und Producer der Band. Wir haben Rekorde von den Beatles und Michael Jackson geschlagen. Jetzt musste der nächste Hit her. So wird Musik irgendwann zu einem Zwang. Und dann gab es in unserer Familie natürlich auch Konflikte – vielleicht gerade, weil wir alle Künstler sind. Dann versucht man das wankende Schiff zu beruhigen und geht irgendwann selbst fast daran zugrunde. Das war der Moment, indem ich zu dem Entschluss kam: „Wenn das schon so weit führt, dass ich nicht mehr leben möchte, muss ich etwas ändern“. Es gibt da einen Spruch, der lautet: „Mit 20 wollte ich die Welt ändern, mit 30 die halbe Welt, mit 40 mich selbst“. Und ich hatte meine Midlife-Crisis mit 20.

Gab es auch mal eine Phase, in der du dachtest: „Mit Musik möchte ich nichts mehr am Hut haben?“

KELLY Ja, die gab es auch. Irgendwie kam mir die Leidenschaft für die Musik abhanden. Ich habe auf Autopilot geschaltet. Wenn du so viele Konzerte im Jahr gibst, wenig Privatleben hast, immer nur mit Bodyguards auf die Straße kannst, ist das nicht mehr die ursprünglich spontane, freie Inspiration, sondern es ist forciert.

Mit der „Kelly Family“ hast du früher sehr viele Konzerte gegeben. Hast du dennoch irgendeine spezielle Erinnerung an eure Auftritte in Saarbrücken?

KELLY Irgendwo in der Nähe hatten wir mal eine Fernseh-Aufzeichnung. Ich glaube, das war in Saarlouis. Das ist bestimmt 20 Jahre her. Aber ich habe mit meinen Geschwistern früher auch in Saarbrücken auf der Straße gespielt. Das haben wir vor unserem großen Durchbruch fast jeden Tag irgendwo gemacht.

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