Kritik am „Herdentrieb“ der Medien

Saarbrücken · Peter Dausend, Parlamentskorrespondent der „Zeit“ in Berlin, lässt kein gutes Haar an der Berichterstattung der Medien über Parteien und Politiker. Es werde gleich skandalisiert, sagte er bei einem Vortrag in Saarbrücken.

Der "Zeit"-Parlamentskorrespondent Peter Dausend, ein gebürtiger Saarbrücker, hat seinem Berufsstand für die Berichterstattung über Parteien und Politiker ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt. "An der Spaltung zwischen Gesellschaft und Politik tragen die Medien ein gehöriges Maß an Mitschuld, indem sie Politik personalisieren und skandalisieren; Inhalte spielen keine Rolle", sagte Dausend bei einem Vortrag in der Saarbrücker Union-Stiftung.

Dausend berichtet seit 13 Jahren aus der Hauptstadt, zunächst für die konservative "Welt", seit sechs Jahren für die liberale Wochenzeitung "Die Zeit". Er sagte, Medien könnten nur erfolgreich sein, wenn sie einerseits "nicht alles permanent herunterschreiben", andererseits aber auch ihren Biss behielten.

Als auffallendes Beispiel für den "Herdentrieb" der Medien nannte Dausend die Berichterstattung über den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Dieser sei als "irrlichternder Fettnapf" dargestellt worden, "der sich nicht im Griff hat". Jeder Halbsatz von ihm sei "aufgeblasen" und skandalisiert worden.

Eine Mitschuld am Auseinanderdriften von Parteien und Gesellschaft tragen nach Dausends Ansicht aber auch die Parteien selbst. "Die Politik ist zu wenig eingebettet in das Alltagsleben", sagte der Journalist. "Es muss Wahlkampf sein, damit man sich begegnet." Politiker und Journalisten seien "in der politisch-medialen Blase in Berlin-Mitte" mit sich selbst beschäftigt. Die Parteien müssten sich für Außenstehende öffnen, moderner werden und neue Beteiligungsformen für die jüngeren Menschen finden, die sich im Internet bewegten und nicht mehr bereit seien, sich in Ortsvereinen zu engagieren.

Als eine von mehreren Besonderheiten des zurückliegenden Wahlkampfes sieht Dausend dessen Inhaltsleere. Der Wahlkampf sei "ein gigantisches Fest der Irrelevanz" gewesen. Weder über den demografischen Wandel noch über die Macht großer Internetkonzerne, den Datenschutz, die Bankenregulierung oder die Zukunft Europas sei diskutiert worden - stattdessen aber etwa über die Merkel-Raute, den Steinbrück-Stinkefinger oder eine rot-rot-grüne Option, die es in Wahrheit nie gegeben habe. Dausend beklagt eine Entpolitisierung der Gesellschaft. Die politische Kultur in Deutschland sei auf Harmonie angelegt, der Streit in der Bevölkerung negativ besetzt, obwohl er notwendig sei. "Eine Partei ist umso beliebter, je weniger sie als Partei erkennbar ist", sagte Dausend.

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