Krank, behindert - ausgegrenzt

Regionalverband. Christian Kott (26) hat wieder Arbeit - nach einem "langen, steinigen Weg". Seit 2004 ist er schwerbehindert. Klinik- und Reha-Zeiten folgte die Weiterbildung zum Maschinenbautechniker. "Das musste ich mir bei der Arbeitsagentur erkämpfen." Seit Juni ist er CAD-Fachkraft bei Germa Sondermaschinenbau in Eppelborn

 Menschen mit einer Behinderung sind auch auf dem saarländischen Arbeitsmarkt nach wie vor benachteiligt. Symbolfoto: Patrick Pleul/dpa

Menschen mit einer Behinderung sind auch auf dem saarländischen Arbeitsmarkt nach wie vor benachteiligt. Symbolfoto: Patrick Pleul/dpa

Regionalverband. Christian Kott (26) hat wieder Arbeit - nach einem "langen, steinigen Weg". Seit 2004 ist er schwerbehindert. Klinik- und Reha-Zeiten folgte die Weiterbildung zum Maschinenbautechniker. "Das musste ich mir bei der Arbeitsagentur erkämpfen." Seit Juni ist er CAD-Fachkraft bei Germa Sondermaschinenbau in Eppelborn. "Ich hatte Glück, dass es so schnell geklappt hat. Man muss hartnäckig sein, geschenkt bekommt man nichts."Viele andere Schwerbehinderte bleiben außen vor, obwohl eine Fünfprozentquote (siehe Info) ihnen die Rückkehr in den Job erleichtern will. Doch es gibt ein Schlupfloch: die Ausgleichsabgabe (siehe Info). Diese Möglichkeit, sich "freizukaufen", nutzen die meisten Saar-Firmen. 1012 Betriebe (63,4 Prozent) zahlten 2009 - neuere Zahlen gibt's nicht - lieber, als Schwerbehinderte einzustellen. Nur 584 Betriebe (36,6 Prozent) erfüllten die Quote oder vergaben Aufträge an Behindertenwerkstätten. Insgesamt schaffen private Arbeitgeber nur 3,9 statt der geforderten fünf Prozent (Stand: Dezember 2009). Bei öffentlichen Arbeitgebern sind 5,7 Prozent der Stellen an Schwerbehinderte vergeben.

Insgesamt liegt die Schwerbehinderten-Quote bei 4,1 Prozent, Bundesschnitt: 4,5 Prozent. 2163 Schwerbehinderte waren 2010 arbeitslos, rund 9500 arbeiteten, sagt Stephan Kolling vom Landesamt für Soziales. Die Arbeitslosenquote beträgt bei Schwerbehinderten 18,6 Prozent (deutschlandweit 14,6 Prozent/Stand 2009). Im September sank die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung leicht auf 2100. Deutschlandweit sind rund 174 000 Schwerbehinderte arbeitslos, 1600 mehr als im Vorjahr.

Wolfgang Gütlein, der Landesbehindertenbeauftragte, will eine "Erhöhung der Beschäftigungsquote von fünf auf sechs Prozent". Mit dem dann höheren Aufkommen aus der Abgabe wäre mehr Hilfe möglich. Mehr Geld, mehr Jobs, mehr Eingliederung?

Anwältin Margret Bilsdorfer, Vorsitzende des Vereins für integratives Wohnen, Arbeiten & Leben im Saarland, winkt ab: "Die Mittel aus der Ausgleichsabgabe flossen entgegen der eindeutigen Vorschrift im Saarland überwiegend in Werkstätten für behinderte Menschen - für Aus- und Erweiterungsbauten oder Restaurierung."

Zahlen der Bundesvereinigung der Integrationsämter geben Bilsdorfer Recht: Nur 0,68 Millionen von 5,17 Millionen Euro flossen 2009 im Saarland in Arbeitsmarktprogramme. 1,86 Millionen Euro gingen an Empfänger wie Behindertenwerkstätten. "Dies ist nicht gesetzeskonform: Die Abgabe darf nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfen im Arbeitsleben verwendet werden", sagt sie. "Menschen mit geistiger oder starker Lernbehinderung und psychisch Kranke finden den Weg auf den Arbeitsmarkt so gut wie nie", sagt sie. Ihr Verein plant eine Bügelstube mit Stellen für behinderte und nicht behinderte Menschen. "Die Agentur für Arbeit teilte mit, dass wir nur mit Körperbehinderten arbeiten könnten, da geistig Behinderte nicht wirklich arbeiten, also bügeln könnten." Bei solchen Vorurteilen in der Arbeitsagentur ändere sich auch das Bild bei den Arbeitgebern nicht.

Christian Kott hat es schafft, auch weil Germa-Geschäftsführerin Sandra Scherer findet, dass "er ins Team passt". Mit Kott arbeiten zwei weitere Schwerbehinderte in der Firma. "Wir übertreffen sogar die Fünfprozentquote."

Über 64 Prozent der Betriebe tun das nicht.

Stichwort

Quotenregelung: Private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Mitarbeitern müssen fünf Prozent der Stellen an Schwerbehinderte vergeben.

 Menschen mit einer Behinderung sind auch auf dem saarländischen Arbeitsmarkt nach wie vor benachteiligt. Symbolfoto: Patrick Pleul/dpa

Menschen mit einer Behinderung sind auch auf dem saarländischen Arbeitsmarkt nach wie vor benachteiligt. Symbolfoto: Patrick Pleul/dpa

Ausgleichsabgabe: Wird diese Fünfprozentquote nicht erreicht, zahlen Arbeitgeber zwischen 105 und 290 Euro je Monat und unbesetzten Pflichtplatz. Die Einnahmen belaufen sich jährlich auf rund fünf Millionen Euro im Saarland. ceg

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