Kostüm angezogen, Alltag weggeblasen

Oberesch · Im wahren Leben sind sie Hausfrau, Architekt oder Angestellter. Aber auf ihrer selbstmontierten Laienbühne schlüpfen die Theaterfreunde Oberesch in die Häute von skurrilen Typen und Boulevardfiguren.

Oberesch. Sie sind keine Profis und haben sich nicht theoretisch mit Schauspielerei beschäftigt. Aber Lampenfieber, Blackouts und den Kick in einem ausverkauften Saal mit 120 Gästen zu spielen, das kennen sie sehr gut. Und sie genießen es. Marlene Lauer, Albert Kerber und Albert Wender vom Verein Theaterfreunde Oberesch führen seit Jahrzehnten viele zweite Leben auf der eigens montierten Bühne im Dorfgemeinschaftshaus in Oberesch. "Es ist erstaunlich, wie manche Laien hier auf der Bühne aus sich herausgehen", sagt Wender. "Der Alltag fällt von einem ab", erklärt die Hausfrau Marlene Lauer. Wender, im Leben neben der Bühne freier Architekt, ergänzt, "hier kann man in eine andere Rolle schlüpfen, dann geht einen der Ärger vom Tag nix mehr an". Mit insgesamt vier Schauspielern, fünf Schauspielerinnen und acht Helfern führt die Truppe seit 2004 immer im Frühjahr einen neuen Dreiakter auf. Aber Bühnenerfahrung haben die drei Oberescher bereits seit mehreren Jahrzehnten. Schon als Jugendliche führten sie Sketche vor Publikum in der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) Siersburg auf.Nun haben die Theaterfreunde ihre Theaterauftritte immer an den zwei letzten Wochenenden vor Ostern. Für die vier Aufführungen arbeiten sie mehr als ein halbes Jahr. "Ich lese im Sommer Dutzende von Stücken für unsere Personenbesetzung, ab September wird geprobt", erklärt der 61-jährige Kerber. Eine Auswahl von drei Stücken bringt er mit in die Gruppe, dann wird diskutiert und ausgewählt. Manchmal geht das ganz fix. "Einmal wussten wir innerhalb von zwei Minuten, wer welche Rolle spielt", erinnert sich Wender. Inzwischen kennt auch das Publikum die Truppe gut. "Die Leute sagen immer, die Rollen würden gut auf unsere Personen passen", berichtet Lauer, die in den Stücken meist Kerbers Ehefrau spielt.

Der richtige Stress mit zwei, drei Proben pro Woche, beginnt dann sechs Wochen vor der Premiere. Denn Kostüme, Bühnenbild und Bühnentechnik machen die Vereinsmitglieder selbst. Marlene Lauer etwa hat in ihren 61 Lebensjahren einen großen Fundus von Kostümen und Hüten angesammelt. "Die Leute im Ort bieten mir aber auch viele Sachen an", erzählt sie. Pelze etwa, oder Perücken für eine Persiflage von Karl Lagerfeld.

Kostüme machen viel aus, da sind sie sich einig. "Ich war in einer Rolle so herrlich arrogant, und nur weil ich diesen Arztkittel anhatte", pflichtet der 50-jährige Wender bei.

Für ihre Stücke organisieren die Theaterfreunde alles selbst: spielen auch krank, weil es keine Zweitbesetzung gibt, und liefern die Eintrittskarten persönlich aus. Und was ist mit der Regie? "Die machen wir alle, man korrigiert sich beim Proben", erklärt Wender.

Ihre Stücke geben sie in Oberescher Mundart. "Platt schwätzen gehört hier dazu, und im Umkreis versteht man es", sagt Lauer, die Oberescher Mundartwörter sammelt.

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