Kopfschmerzen sind inzwischen eine Volkskrankheit

Wie viele Arten von Kopfschmerz kennt die moderne Medizin?Spiegel: Etwa 70 Prozent aller Menschen haben im Verlauf ihres Lebens mit Kopfschmerzen zu tun. Am bekanntesten ist sicherlich die Migräne, die etwa zehn Prozent betrifft

Wie viele Arten von Kopfschmerz kennt die moderne Medizin?Spiegel: Etwa 70 Prozent aller Menschen haben im Verlauf ihres Lebens mit Kopfschmerzen zu tun. Am bekanntesten ist sicherlich die Migräne, die etwa zehn Prozent betrifft. Dann kennen wir den chronischen Spannungskopfschmerz, an dem etwa jeder Dritte leidet, sowie den Clusterkopfschmerz, von dem etwa 0,3 Prozent der Menschen betroffen sind. Hinzu kommt der Stirnhöhlenkopfschmerz sowie natürlich noch die symptomatischen Kopfschmerzen, die beispielsweise durch Tumore, Infarkte oder Entzündungen ausgelöst werden. Oder auch durch einen Kater.

Wie äußern sich die einzelnen Arten von Kopfschmerz?

Spiegel: Grundsätzlich schränken alle chronischen Schmerzen die Lebensqualität erheblich ein. Sie haben extreme Auswirkungen sowohl auf das Berufs- als auch auf das Privatleben. Migräne äußert sich als Druckgefühl von innen. Der Patient hat das Gefühl, sein Kopf platzt. Spannungskopfschmerz fühlt sich indes an, als würde der Kopf in einen Schraubstock eingespannt. Und der Clusterkopfschmerz lässt sich am besten als kurzzeitige, aber sehr massive Schmerz-Attacke in einer Kopf- oder Gesichtshälfte beschreiben. Diese können so heftig sein, dass sie bei den Betroffenen Selbstmordgedanken auslösen.

Gibt es einen klassischen Kopfschmerzcharakter?

Spiegel: Meiner Ansicht nach gibt es so etwas nicht. Allerdings gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass Migräne genetisch terminiert ist. Daher lassen wir chronische Kopfschmerz-Patienten auch einen Stammbaum aufstellen, um zu überprüfen, ob es familiere Vorbelastungen gibt.

Bei Spannungs- oder Clusterkopfschmerz sind mir bislang keine Beweise für eine genetische Beeinflussung bekannt. Bei Clusterkopfschmerz nimmt man an, dass er durch Gefäßreaktionen im Gehirn verursacht wird, vermutlich durch Überreizung von Nerven und Blutgefäßen werden also Entzündungen verursacht, die aber nicht mit Infektionen zu verwechseln sind.

Wann spricht man von chronischen Kopfschmerzen und wie beeinflussen diese die Lebensqualität?

Spiegel: Von chronischen Kopfschmerzen spricht man bei mindestens zwei schweren Schmerzattacken monatlich. Und die haben einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität: Bei einem akuten Anfall ist der Patient nicht mehr in der Lage, seinen alltäglichen Verrichtungen nachzugehen. Sei es im privaten Bereich oder im Beruf. Akute Kopfschmerz-Anfälle gehören übrigens mit zu den häufigsten Verursachern notfallärztlicher Einsätze. Wir haben hier in Homburg im Schnitt zwei Patienten täglich, die wegen Kopfschmerzen notfallmedizinisch betreut werden müssen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Spiegel: Die Medizin hat in diesem Bereich in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt. So hilft bei den meisten Clusterkopfschmerz-Patienten bei einem akuten Anfall eine Sauerstofftherapie. Gegen Spannungskopfschmerzen helfen Entspannungsübungen oder auch Sport ganz gut. Bei Migräne werden mit verschiedenen Medikamenten gute Wirkungen erzielt. Insgesamt ist eine gesunde und ausgewogene Lebensweise sinnvoll, also wenig Alkohol, kein Nikotin und Kaffee nur in Maßen.

Gibt es auch Fälle, in denen nichts hilft?

Spiegel: Den hoffnungslosen Fall gibt es nicht. Aber manchmal muss man bisschen länger suchen, bis man das passende Medikament oder die jeweils richtige Behandlungsmethode gefunden hat. Jedenfalls sollten die Betroffenen die Flinte keinesfalls ins Korn werfen und aufgeben. Denn die Forschung ist ständig im Fluss und fördert immer wieder neue Erkenntnisse zu Tage. So weiß man heute zum Beispiel, dass Migräne mit den richtigen Medikamenten vorbeugend behandelt werden kann. Vielleicht gibt es demnächst ähnliche Erkenntnisse bei anderen Kopfschmerzarten.

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