Video-Sprechstunde Arztpraxen könnten bald Video-Sprechstunden anbieten

Saarbrücken · Bei einer Anhörung im Landtag wurde gestern deutlich, wie die moderne Technik die medizinische Versorgung revolutioniert – auch im Saarland.

 (Symbolbild)

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Foto: dpa/Marijan Murat

Was bietet die moderne Technik nicht alles für Möglichkeiten! Wer heute in einem saarländischen Krankenhaus in die Röhre muss, kann nicht mehr sicher sein, dass der Radiologe, der die CT- oder MRT-Aufnahme auswertet, im Zimmer nebenan sitzt. Es es ist gut möglich, dass er sich das Bild in hunderten Kilometer Entfernung ansieht und den Befund elektronisch übermittelt.

Auch den niedergelassenen Ärzten bieten sich ganz neue Möglichkeiten. Die Ärztekammer des Saarlandes wird in ein paar Monaten entscheiden, ob sie Video-Sprechstunden zulässt, ohne dass sich der Patient zuvor persönlich dem Arzt vorgestellt hat. An der Technik scheitert dies im Jahr 2018 nicht mehr, höchstens am Willen der Ärzteschaft. Im Frühjahr hatte die Ärztekammer das Ansinnen noch abgelehnt, man darf also gespannt sein. Die rheinland-pfälzische Ärztekammer hat ihre Berufsordnung jedenfalls vor wenigen Tagen geändert.

In der Gesundheitsbranche begegnet die Telemedizin grundsätzlich großer Offenheit, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Das zeigte gestern eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Landtags. Sie ergab, dass Telemedizin unter anderem in folgenden Bereichen eine Rolle spielen könnte:

▶ Video-Sprechstunden wären wohl relativ schnell möglich, wenn die Ärzte dies wollen. „Dieser Weg ist zwangsläufig“, sagte Joachim Meiser, Vize-Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) – auch wenn er in der Ärzteschaft bislang keine große Nachfrage erkennen kann. Telemedizin solle auch nur eingeschränkt und wohlüberlegt eingesetzt werden. Längst nicht alle Krankheitsbilder seien für Video-Sprechstunden geeignet.

▶ Bei Operationen könnten Aufnahmen live in eine andere Klinik übertragen werden, erklärte der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Thomas Jakobs. Dort könne sich dann ein anderer Arzt die Aufnahmen anschauen und sich mit dem Chirurg im OP austauschen.

▶ Möglich ist auch, dass der Roboter, der eine Operation durchführt, in Zukunft nicht mehr im OP-Saal gesteuert wird, sondern mittels Kamera und Datenübertragung von irgendeinem anderen Ort aus.

▶ Der Rettungsdienst könnte nach einem Unfall bereits vom Ort des Geschehens aus Bilder vom Patienten und erste Befunde in Form eines elektronischen Patientenprotokolls ins Krankenhaus schicken. Dann könne sich das Behandler-Team dort bereits auf den Patienten vorbereiten, sagte der stellvertretende Landesarzt des DRK, Dominik Lorenz. Bislang kann lediglich das EKG aus dem Rettungswagen in die Klinik übertragen werden.

Die Hoffnung mancher Akteure, mit neuer Technik ließen sich die Kosten senken, bewahrheiten sich aber wohl nicht ohne weiteres. KV-Vize Meiser bestritt Einsparmöglichkeiten rundheraus, die Vertreter der Krankenkassen ließen die Frage offen. „Das steht auch gar nicht im Vordergrund“, sagte Olaf Schulze vom Verband der Privaten Krankenversicherung. Die IT-Expertin Ninja Marnau, leitende Wissenschaftlerin am Saarbrücker Cispa-Institut, sagte, gerade zu Beginn könne es gar keine Einsparungen geben, weil Ärzte erst einmal geschult und auch Patienten angeleitet werden müssten. „Man darf Ärzte und Patienten nicht allein lassen.“

Die Krankenkassen hoben hervor, dass Video-Sprechstunden gerade Patienten in ländlichen Regionen mit langen Anfahrtswegen neue Chancen eröffnen, auch vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Ärztemangels. Telemedizin solle den Arzt-Patienten-Kontakt nicht ersetzen, sondern ergänzen, sagte AOK-Vertreterin Jutta Bartmann. Michael Keck vom Verband der Ersatzkassen (Vdek) gab zu bedenken, man dürfe sich bei der Telemedizin nicht von Amazon, Facebook oder Google überholen lassen.

Einig waren sich alle Angehörten, dass der Datenschutz mit den neuen Anwendungen an Bedeutung gewinnt. Gesundheitsdaten dürften nicht in falsche Hände gelangen oder manipuliert werden, warnte die Landesdatenschutzbeauftragte Monika Grethel. Dass Patientendaten für Cyber-Kriminelle hochinteressant sind, bestätigte auch Cispa-Forscherin Ninja Marnau. Mit den Daten könnten etwa Politiker erpresst werden. Es gebe aber technische Lösungen für die technische Absicherung. Die IT-Expertin sieht im Ausbau der Telemedizin grundsätzlich großes Innovationspotenzial. Sie bot dabei auch die Unterstützung des Cispa an.

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