An der Belastungsgrenze Kollaps bei den Kinder-Notdiensten

Saarbrücken/Saarlouis/Neunkirchen · Die drei Bereitschaftsdienst-Praxen in Neunkirchen, Saarlouis und Saarbrücken kommen an ihre Belastungsgrenze.

 Wer mit einem kranken Kind am Wochenende in eine saarländische Bereitschaftsdienst-Praxis fährt, muss derzeit mit mehrstündigen Wartezeiten rechnen.

Wer mit einem kranken Kind am Wochenende in eine saarländische Bereitschaftsdienst-Praxis fährt, muss derzeit mit mehrstündigen Wartezeiten rechnen.

Foto: Sven Hoppe/dpa/Sven Hoppe

(ko) Die saarländischen Kinder- und Jugendärzte schlagen Alarm. Der Grund: Die drei Bereitschaftsdienst-Praxen in der Marienhausklinik St. Josef Kohlhof in Neunkirchen, im Klinikum Saarbrücken und im Marienhausklinikum Saarlouis platzen derzeit wegen einer Erkältungswelle an den Wochenenden aus allen Nähten. „Das sind Notfall-Dienste, und Eltern sollten diese mit ihren Kindern auch wirklich nur im Notfall aufsuchen“, appelliert Dr. Karl Stiller, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte an die Eltern. In den drei Notdienst-Zentralen, von denen jede in der Regel am Wochenende um die 60 kleine Patienten am Tag behandele, seien am vergangenen Wochenende zwischen acht und 20 Uhr teilweise bis zu 150 Kranke gezählt worden. „Das sind mehr als zehn Patienten pro Stunde. Das Personal kommt an seine Belastungsgrenze“, sagt Stiller. Zumal die niedergelassenen Kinderärzte, die mit ihrem Praxispersonal den Bereitschaftsdienst in den drei Kliniken besetzen, aktuell selbst mit krankheitsbedingten Ausfällen zu kämpfen hätten. „Es ist auch aus Eigenschutz sinnvoll, die Notdienste für Kinder nur dann aufzusuchen, wenn wirklich ein Notfall vorliegt, und die Kinder ansonsten besser montags in der Kinderarztpraxis untersuchen zu lassen“, erklärt Stiller. Denn die Gefahr, sich mit anderen Erregern bei einer unter Umständen mehrstündigen Wartezeit in einer überfüllten Ambulanz anzustecken, sei extrem hoch.

In diesem Zusammenhang appelliert der Mediziner auch an Eltern, Kindern während und nach einer Erkrankung genug Ruhe zu gönnen. Er höre immer wieder, dass „noch halb kranke Kinder“ Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Schulen besuchten. „Je nach Infekt braucht das Kind einfach eine längere Auszeit.“

Etwa bei einer Grippe. Hier verzeichnen die Kinder- und Jugendärzte im Saarland in den vergangenen beiden Wochen einen Anstieg der Erkrankungen. Eine Beobachtung, die sich mit den Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin, des Klinikums Saarbrückens und des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg deckt – auch bei den erkrankten Erwachsenen. Demnach wurden in der siebten Kalenderwoche für das Saarland und Rheinland-Pfalz 1300 bestätigte Grippe-Fälle gemeldet, in der fünften Kalenderwoche waren es noch 800 gewesen. „Wir sind in der Gipfelphase“, sagt RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Eine Einschätzung, die Dr. Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlandes, teilt. Er spricht von einem „absoluten Hoch“. „Wie lange die aktuelle Grippesaison dauert, kann man nicht vorhersagen“, ergänzt Dr. Gunter Hauptmann, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland.

 Dr. Karl Stiller, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte.

Dr. Karl Stiller, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte.

Foto: Stiller
 Dr. Jürgen Rissland, Leitender Oberarzt am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Homburg.

Dr. Jürgen Rissland, Leitender Oberarzt am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Homburg.

Foto: Rissland

Außer den Erregern der beiden Influenza-Typen A und B sind derzeit aber auch noch andere Atemwegserkrankungen im Umlauf, erklärt Dr. Jürgen Rissland, leitender Oberarzt der Virologie des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg. Sie seien vornehmlich – aber nicht ausschließlich – durch Viren ausgelöst. Aber auch eine Grippe, gibt der Mediziner Entwarnung, müsse nicht immer dramatisch verlaufen. „Es ist nicht notwendig, dass jeder bei seinem Arzt auf einen Influenza-Schnelltest drängt. Diesen sollten nur Patienten mit einer gesundheitlichen Vorschädigung in Anspruch nehmen oder solche, bei denen aufgrund des kritischen Gesundheitszustandes über eine stationäre Aufnahme entschieden werden muss.“ Bettruhe sei häufig immer noch die beste Medizin.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort