Klein-Amerika am Fuße des Wasserturms

Neunkirchen. Das Baby der Familie hinten im Eck schlummert friedlich. Der Geschäftsmann in Anzug und Krawatte plaudert mit seiner Begleitung, die US-Soldaten feiern eine kleine Party an ihrem Tisch. Alle sitzen sie da, nagen das Fleisch von den Knochen und wischen sich zwischendurch die fettverschmierten Finger an Küchenrolle ab

Neunkirchen. Das Baby der Familie hinten im Eck schlummert friedlich. Der Geschäftsmann in Anzug und Krawatte plaudert mit seiner Begleitung, die US-Soldaten feiern eine kleine Party an ihrem Tisch. Alle sitzen sie da, nagen das Fleisch von den Knochen und wischen sich zwischendurch die fettverschmierten Finger an Küchenrolle ab. Es ist Dienstag, und Dienstag ist bei "Hooters" in Neunkirchen "Wings Day": "All you can eat - Chicken wings" zum Preis von 9,99 Euro. Heißt: Der Gast zahlt knapp zehn Euro und esse dafür so viele frittierte Hähnchenschlegel, wie er will. "Unser Wings Day ist sehr beliebt", sagt Lokalmanager Dominik Brill.

Dabei ist es weniger das typisch amerikanische Essen, für das die Restaurants dieses Labels bekannt sind, als vielmehr diejenigen, die Wings, Burger und Sandwiches servieren: die "Hooters-Girls". Die Bedienungen, im knappen Höschen und tiefen Dekolleté, immer gut gelaunt und zu einer Show-Einlage bereit, sind das Markenzeichen der Restaurant-Kette, deren Name auf Deutsch "Hupen" heißt.

In den USA ist das Gastronomie-Konzept aus amerikanischem Essen, Bildschirmen mit Sportprogramm und spärlich bekleideten Service-Kräften seit 27 Jahren erfolgreich. Vor fünf Jahren fand es Einzug in die deutsche Restaurant-Landschaft. Genauer: an den Fuß des Neunkircher Wasserturms. "Hooters is coming to Germany - but not to Ramstein" ("Hooters kommt nach Deutschland - aber nicht nach Ramstein"), titelte damals "Stars and Stripes", die Zeitung für das US-Militär im Ausland. Im Oktober 2005 eröffnete in Neunkirchen das erste "Hooters" Deutschlands.

Bis heute profitiert der Laden von seiner Nähe zu den US-Stützpunkten in Ramstein, Kaiserslautern, Landstuhl und Baumholder. "Der größte Teil unserer Gäste sind Amerikaner", bestätigt Brill.

Kritiker mahnen hingegen seit Jahren, dass das "Hooters"-Konzept in Deutschland nicht funktionieren könne. Halb nackte Mädchen kenne der Mitteleuropäer zuhauf aus der Werbung und wer Burger wolle, ginge lieber in den Fast-Food-Laden, heißt es.

Bestätigung für ihre Bedenken fanden sie im Fall der "Wings of Germany Betreiber AG" und der "Wings of Germany Betreiber AG und Co. KG". Für die Saarbrücker Gesellschaften, die mit Lizenzen für "Hooters"-Läden in Deutschland handelten, wurde am 1. September das Insolvenzverfahren eröffnet. Das bestätigt Insolvenzverwalter Oliver Rösler. Das Geschäft in Neunkirchen betrifft das zunächst nicht unmittelbar. Es bezieht seine Lizenz aus der Schweiz.

Rückendeckung erfährt das Restaurant-Konzept unterdessen von einem, der schon qua Titel wissen sollte, ob ein Geschäft funktioniert oder nicht: Saar-Wirtschaftsminister Christoph Hartmann (FDP). Er hat, nebst Gattin und Schwiegervater, in den Aufbau von "Hooters"-Lokalen in den Niederlanden und in Belgien investiert.

Auf einen Blick

Das SR-Programm zur ARD-Themenwoche "Essen ist Leben" bietet heute unter anderem folgende Beiträge: SR2, 9.05 Uhr: Beliebte Irrtümer in den Küchen. SR Fernsehen, 18 und 21.45 Uhr: Ernährungsangebote für Kinder und Jugendliche auf dem Prüfstand. red

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