"Jagdtrieb ist keine Aggression"

Gersweiler. "Man kann dem Hund keinen Vorwurf machen. Der Jagdtrieb steckt nun mal in ihm. Das hat auch nichts mit Aggression oder Boshaftigkeit zu tun. Der Hund ist in diesem Moment nur darauf fixiert, Beute zu machen. Es ist möglich, dass er es zwar auf den Drachen abgesehen hatte und dann in einer Übersprungshandlung auf das Mädchen losging", erklärt Hundetrainer Jörg Türknetz

Gersweiler. "Man kann dem Hund keinen Vorwurf machen. Der Jagdtrieb steckt nun mal in ihm. Das hat auch nichts mit Aggression oder Boshaftigkeit zu tun. Der Hund ist in diesem Moment nur darauf fixiert, Beute zu machen. Es ist möglich, dass er es zwar auf den Drachen abgesehen hatte und dann in einer Übersprungshandlung auf das Mädchen losging", erklärt Hundetrainer Jörg Türknetz. Mittlerweile sind fünf Tage vergangen, seit Anna Stegner von einem Hund angefallen und etwa 20 Mal in Arme, Beine, Hände und in den Rücken gebissen worden ist (wir berichteten). Am Freitagabend ließ die 15-Jährige auf einer Pferdekoppel in Gersweiler gemeinsam mit der Pächterin der Koppel Drachen steigen, als sich eine 67-jährige Spaziergängerin mit einem angeleinten Jagdhund näherte. Weil sich der Hund laut Polizeimeldung aggressiv verhalten habe, zog das Mädchen den Drachen hinab. Als dieser dann von einem Windstoß wieder in Bewegung geriet, konnte sich der Hund, ein Deutsch Langhaar, von der Leine losreißen und attackierte zunächst den Drachen und dann das Mädchen. Den beiden Damen gelang es dann, den Hund nach einiger Zeit von Anna Stegner zu entfernen.Gerade bei Hunden mit Jagdtrieb sei Gehorsam besonders wichtig, sagt Hundetrainer Jörg Türknetz. "Diese Hunde müssen gut ausgebildet werden und auf Kommando stehen bleiben", so der Experte. Bei dem Vorfall in Gersweiler war die Hundeführerin offenbar nicht in der Lage, den Hund zu halten oder ihn zurückzurufen.

"Ich appelliere an alle Hundehalter, sich nur Hunde anzuschaffen, die sie auch in der Gewalt haben. Hätte dieser Hund sich nicht losgerissen, wäre das nicht passiert", sagt Annas Vater Martin Stegner. Seine Tochter ist derzeit noch immer im Krankenhaus und musste mittlerweile zum zweiten Mal operiert werden. "Nach der Erstversorgung am Freitag konnte Anna wieder nach Hause. Aber vier Bisswunden haben sich infiziert, so dass sie am Sonntag und am Dienstag operiert werden musste", so der Vater.

Anna, selbst Hundebesitzerin und Tierfreundin, habe gleich nach dem Vorfall gesagt, sie hoffe, dass der Hund nicht eingeschläfert werden müsse, fügt er hinzu. Und das scheint auch eher unwahrscheinlich, wie Karsten Hübsch vom Saarbrücker Ordnungsamt weiß. "Mir ist bislang kein Fall in Saarbrücken bekannt, bei dem ein Hund eingeschläfert werden musste", sagt Hübsch, der über den Vorfall in Kenntnis gesetzt wurde. Zunächst werde nun der Besitzer des Hundes dazu aufgefordert, sich zu dem Geschehen zu äußern. Zudem werde die zuständige Polizeidienststelle prüfen, ob es bereits in der Vergangenheit Vorfälle gab, bei denen der Hund Menschen attackierte. "Je nachdem, was bei der Untersuchung rauskommt, wird der Hund dann einem Wesenstest unterzogen. Eventuell folgt daraus, dass er nur noch angeleint oder mit Maulkorb geführt werden darf. Das entscheiden Experten", so der Sachbearbeiter. Es sei auch möglich, dass der Besitzer den Hund abgeben müsse.

Auch wenn Anna laut ihres Vaters wieder "ganz wohl auf" ist, den Schock muss die Familie noch verarbeiten. "Ich würde mir wünschen, dass sich der Hundebesitzer wenigstens nach dem Wohlbefinden meiner Tochter erkundigen würde. Das ist leider noch nicht geschehen", sagt Martin Stegner. "Dem Hund kann man keinen Vorwurf machen."

Hundetrainer

Jörg Türknetz

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