In der Zeit verrückt

Saarbrücken. "Je älter der Mensch wird, desto näher rückt die Vergangenheit", sagt der Film-Arzt. Ein Satz zum Nachdenken - wenn man ihn nicht gleich wieder vergisst. Konrad würde ihn wohl vergessen. Das ist Konrads Problem

Saarbrücken. "Je älter der Mensch wird, desto näher rückt die Vergangenheit", sagt der Film-Arzt. Ein Satz zum Nachdenken - wenn man ihn nicht gleich wieder vergisst. Konrad würde ihn wohl vergessen. Das ist Konrads Problem. An Dinge, die sich zugetragen haben, als er ein kleines Kind war, kann er sich dagegen immer besser erinnern - das ist das Problem einiger Menschen in seiner Umgebung. Konrad ist eine Romanfigur und ein Filmheld - für über eine Million Menschen in Deutschland, ist Konrads Krankheit real, sie leiden an Demenz, sagt Monika Heinz.

Monika Heinz ist Standortkoordinatorin "Hilfen für Pflegende" beim Malteser Hilfsdienst. 95 Prozent der Menschen, die sie und ihr Team unterstützen, leiden unter Demenz - der eigenen oder der eines Angehörigen. Demenzkranke, das weiß Monika Heinz aus ihrer Arbeit, werden oft nicht ernst genommen. Sie gelten als gaga, verrückt, bekloppt.

Um so wohltuender ist es für die Demenz-Expertin, wie Regisseur und Drehbuchautor Bruno Chiche mit dem Thema umgeht. Und wie Gérard Depardieu diesen merkwürdigen Menschen Konrad "mit großer Würde" darstellt. Wer den Film gesehen habe, werde sicher ein "anderes Bild von Demenzkranken haben" als vorher, sagt Monika Heinz.

Sie hofft, dass vor allem junge Menschen sich diesen Film ansehen. Denn die Krankheit könne jeden und jede treffen. Sie trifft einen selbst oder einen Angehörigen. In beiden Fällen verändert sie das Leben.

Der Film und der gleichnamige Roman von Martin Suter erzählen nicht nur von einem, der vergisst. Spannung entsteht, weil dieser Konrad sich erinnert. Ganz so aufregend sei das in der Arbeit mit Demenzkranken im richtigen Leben nicht, sagt Monika Heinz. Aber wie im Film und im Buch sind Erinnerungen an früher wichtig für die Menschen, die vergessen, was gestern oder vor ein, zwei Stunden war. Sich mit Demenzkranken über "ganz früher" zu unterhalten, ihnen Fotos zu zeigen, sei wichtig - wie in "Small World".

Wie in "Small World" verdrängen die Menschen, sagt Monika Heinz. Die, die zu vergessen beginnen, sagen sich, dass sie gerade etwas wirr sind. Später schreiben sie sich Zettel, zeichnen sich in lichten Momenten Pläne, um wieder nach Hause zu finden - und versuchen zu verhindern, dass die anderen merken, was los ist.

Angehörige schieben die Sache auch von sich. "Sie verteidigen ihre demenzkranken Angehörigen nicht selten. ,So was kann ja mal passieren', heißt es dann zum Beispiel. Aber es ist nicht normal, wenn jemand auf der Straße steht und nicht mehr weiß, wo er ist", sagt Monika Heinz.

"Man hört das immer wieder mal im Radio: ,Herr Sowieso wird vermisst, er ist nur in einem Schlafanzug unterwegs.' Das klingt dann abenteuerlich. Für Demenzkranke hat es aber einen Sinn, auch wenn wir den im ersten Moment nicht verstehen", erklärt Monika Heinz. "Small World" helfe, den Sinn zumindest zu erahnen. So wie Gérard Depardieu, der Experte für die Darstellung besonderer Menschen, wie die Demenz-Expertin sagt, Konrad darstellt, werde spürbar, "dass das kein Verrückter ist, sondern einer, der in seiner Zeit verrückt ist".

 Gérard Depardieu als Konrad Lang.

Gérard Depardieu als Konrad Lang.

 Françoise Fabian spielt die mysteriöse Elvira Senn. Fotos: Majestic

Françoise Fabian spielt die mysteriöse Elvira Senn. Fotos: Majestic

"Small World" läuft heute, morgen und übermorgen um 16.15 und um 18.30 Uhr im Saarbrücker Camera zwo (Futterstraße). Der Roman "Small World" von Martin Suter ist (auch als Taschenbuch) im Diogenes-Verlag erschienen.

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