In der Basilika tanzten die Puppen

Saarbrücken. Es ist keine Kleinigkeit, einen Musikabend zu einem intellektuellen Erlebnis zu formen. Der akustische Reiz allein genügt nicht. Kantor Bernhard Leonardy ist dieses Kunststück mit seinem Silvesterkonzert in der restlos gefüllten Basilika St. Johann rundum gelungen

Saarbrücken. Es ist keine Kleinigkeit, einen Musikabend zu einem intellektuellen Erlebnis zu formen. Der akustische Reiz allein genügt nicht. Kantor Bernhard Leonardy ist dieses Kunststück mit seinem Silvesterkonzert in der restlos gefüllten Basilika St. Johann rundum gelungen. Denn seine Idee, das Orgelspiel mit den Aktionen des Saarländischen Marionettentheaters von Robert und Josoah Grünholz zu verbinden, war ästhetischer Genuss und geistige Anregung in einem.Die beiden saarländischen Puppenspieler hatten das 87. Märchen der Brüder Grimm dramatisiert, und machten ihre Mini-Bühne - die auf einem Transparent gut erkennbar vergrößert wurde - zum Schauplatz des religiös-philosophischen Lehrstücks "Der Arme und der Reiche".

In Legendenform wird hier der Gegensatz zwischen Hartherzigkeit und Mildtätigkeit erzählt, wobei die Grundzüge eines erfüllten menschlichen Lebens im sozialen Miteinander und im persönlichen Aufeinanderzugehen erkannt werden. Lohn und Strafe folgen - zumindest in dem Stück - auf dem Fuße.

Warum allerdings, ganz im Gegensatz zum Märchen, ausgerechnet die Frau des Reichen als dämonische Triebkraft des Kalten und Bösen dargestellt wurde, blieb unverständlich. Diese bei Grimm fehlende archaisch-spießige Akzentuierung hinterließ eine faden Geschmack, zumal sie für die Allgemeingültigkeit der Aussage belanglos war.

Das Marionetten-Gezappel und der dazu rezitierte Text waren durchgehend harmonisch unterlegt durch sanfte Orgelklänge, die in Leonardys milden Registraturen die Eindringlichkeit des symbolhaften Geschehens verstärkten. Überhaupt waren die Pausen zwischen den einzelnen Spielteilen eine Domäne des Basilika-Kantors, der mit Boellmanns "Suite gothique", Viernes "Carillon de Westminster" oder Francks "Puppen-Wehgeschrei" virtuose Glanzstücke aus seinem breiten Repertoire herausgesucht hatte.

Höhepunkt war Leonardys freie Eigen-Improvisation, in der er als versierter Techniker freizügig und fantasievoll mit Melodien und Harmonien jonglierte. Am Schluss der gehaltvollen Veranstaltung stand das gemeinsam gesungene Beethoven-Lied "Freude, schöner Götterfunke" (nach Schillers Text) mit seinen optimistischen Tönen für das neue Jahr. pes

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