Im Knast wird mehr gebeichtet als draußen

Saarbrücken. "Meine Gemeinde steht geschlossen hinter mir", versichert Peter Breuer, seines Zeichens Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Saarbrücken auf der Lerchesflur. Osterhasen schmücken die vergitterten Fenster von Breuers Büro, das kaum größer ist als eine Gefängniszelle

Saarbrücken. "Meine Gemeinde steht geschlossen hinter mir", versichert Peter Breuer, seines Zeichens Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Saarbrücken auf der Lerchesflur. Osterhasen schmücken die vergitterten Fenster von Breuers Büro, das kaum größer ist als eine Gefängniszelle. An den Wänden hängen Bilder von Leuchttürmen, über seinem Schreibtisch ein Kalender mit Fotos von Zügen. Reisen ist ein Luxus, von dem die Besucher seines Büros in der Regel nur träumen können.Vor acht Jahren ist der 60-jährige Pfarrer Peter Breuer in die JVA - wie er es nennt - "eingefahren". Seither betreut er Gefangene und Mitarbeiter. "Häufig kommen die Gefangenen zu mir, um über ihre Eheprobleme oder über die Trennung von ihren Kindern zu reden. Manche sprechen mit mir auch über die Aufarbeitung ihrer Tat und wollen herausfinden, wie sie in Zukunft damit umgehen könnten", berichtet Breuer: "Ich kann ihnen juristisch nicht helfen, aber versuchen, ihnen hier das Leben so angenehm wie möglich zu machen." Viele sind dem Pfarrer dafür auch noch lange nach ihrer Haftzeit dankbar. Ab und an bekommt Breuer Anrufe von Ex-Gefangenen, die ihn über ihr Leben nach dem Gefängnis auf dem Laufenden halten oder Rat suchen. Warum Breuer Priester wurde, weiß er selber nicht genau: "Das ist ein Geheimnis, das ich auch noch nicht rausgefunden habe."Mit der Kirche verband ihn früher nur der wöchentliche Gottesdienstbesuch. Nach seiner Lehre als Betriebsschlosser in seiner Heimat Saarlouis ging Breuer nach Koblenz, um Maschinenbauer zu werden. Das erste Mal von zu Hause weg, freute er sich: "Jetzt ist keiner am Sonntagmorgen mehr da, der mir sagt, dass ich in die Messe muss." Doch es kam anders. Seine innere Uhr weckte ihn auch an den Wochenenden früh: "Und dann war ich richtig froh, als morgens um halb acht die Glocken geläutet haben."In Koblenz schloss er sich einer Gemeinde an, begann, sich mit dem Gedanken zu befassen, Priester zu werden. Nach kurzer Arbeit in der Automobilindustrie und der Bundeswehr machte Breuer das Abitur nach. Dann studierte er Theologie in Trier, wurde Kaplan in Daun, Jugendseelsorger in Schaumberg-Blies, Gemeindepfarrer in Quierschied und Göttelborn.Doch ihm fehlte etwas in seiner Arbeit. Priester zu sein, das bedeutet für Breuer vor allem, sich intensiv mit Menschen zu beschäftigen, ihnen zur Seite zu stehen, ihnen eine Stütze und Hilfe zu sein. Das könne er als Gefängnisseelsorger mehr, als er das als Gemeindepfarrer konnte. "Hier bin ich Seelsorger, und da war ich Verwalter", sagt Breuer. Die Konfession spielt bei Breuers Arbeit im Gefängnis keine Rolle. "Ich brauche nicht erst zu fragen ,welche Kasse' oder ,welche Konfession'. Ich bin für alle da." Manchmal, so berichtet Breuer, fragen Gefangene ihn nach Gott: "Es kommt vor, dass Leute, die all die Jahre nichts mehr mit Kirche am Hut hatten, plötzlich hier wieder einen Zugang finden. Die Zahl der Beichten ist im Gefängnis wesentlich höher, als ich es in den Gemeinden erlebt habe."Jeden Sonntag zelebriert der Pfarrer einen Gottesdienst, der von einer neunköpfigen Messdienergruppe in Wort und Gesang begleitet wird. "Meinen Brüdern draußen steigen immer die Tränen in die Augen, wenn ich ihnen erzähle, wie gut meine Gottesdienste besucht sind," sagt Breuer und lacht. Rund 60 Prozent der Untersuchungshäftlinge besuchen seine Messe und rund 25 Prozent der Gefangenen in der Strafhaft. "Die anderen Pfarrer haben da doch wesentlich weniger", erklärt Breuer und fügt hinzu: "Meine Gemeinde steht geschlossen hinter mir, das kann ich als Ortspfarrer nicht sagen."Täglich um 21 Uhr muss Breuer die JVA verlassen. Dann ist Einschluss. Alle Gefangenen müssen in ihre Zellen - und er muss raus aus seinem winzigen Büro, nach Hause, bis zum nächsten Tag.

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