Im Kaiserschnittland

Saarbrücken · Erstmals seit 1991 ist die Kaiserschnittrate leicht gesunken. Doch der Wunsch, Kinder möglichst kontrolliert und schmerzfrei zu bekommen, ist nach Ansicht der Vorsitzenden des Saarländischen Hebammenverbandes weit verbreitet. Sie will Schwangere zu einer natürlichen Geburt ermutigen.

Nirgendwo kommen in Deutschland mehr Kinder durch einen Kaiserschnitt zur Welt als im Saarland. Im vergangenen Jahr waren es laut Statistischem Bundesamt 37,2 Prozent (2727 Babys). Der Bundesschnitt liegt bei 31,7 Prozent. Erstmals seit 1991 sank die Quote - wenn auch nur um 0,4 Prozent im Vergleich 2011.

Der Deutsche Hebammenverband begrüßt die Entwicklung - er wirbt für die natürliche Geburt und sieht in Kaiserschnitten nur eine Option, die für Notfälle gedacht ist. "Ein Kaiserschnitt bleibt für die Frau, auch wenn er ein Routineeingriff ist, eine große Operation mit sämtlichen Risiken, die eine solche Intervention birgt", sagt die Vorsitzende des Saarländischen Hebammenverbandes, Andrea Dansoko.

Stichhaltige Gründe, warum das Saarland bei Kaiserschnitten Spitzenreiter ist, könne nur eine umfassende regionale Studie liefern. "Einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss hat sicherlich das gesellschaftliche Frauenbild und Schönheitsideal", glaubt Dansoko. Daneben spiele auch die Angst der werdenden Mütter vor dem Geburtsschmerz eine Rolle ebenso wie die Sorge der Geburtshelfer, bei Komplikationen zu haften.

Kliniken verdienen an Kaiserschnitten mehr als an der natürlichen Entbindung. Dass aus diesem Motiv Frauen zu einem Kaiserschnitt geraten wird, hält Dansoko jedoch nur für Einzelfälle.

Gemeinsam sollten Frauenärzte und Hebammen ihrer Ansicht nach darauf hinwirken, mehr Frauen zu einer natürlichen Geburt zu ermutigen. Dansoko verweist auf eine aktuelle Studie des King's College in London, wonach Frauen dann am ehesten natürlich gebären, wenn sie während der Schwangerschaft kontinuierlich durch eine Hebamme betreut wurden. Die Kaiserschnittrate würde dadurch aber nicht signifikant beeinflusst.

"Es ist sehr schwierig, den weit verbreiteten Anspruch zu senken, Kinder - wenn überhaupt - möglichst kontrolliert und schmerzfrei zu bekommen", hat die Hebamme beobachtet. Sie sieht in der hohen Zahl der Kaiserschnitte auch eine gesellschaftliche Entwicklung und mit den gestiegenen Möglichkeiten, in viele natürliche Vorgänge einzugreifen. "Diese Möglichkeit hat sich jedoch dahin gehend verselbstständigt, dass wir natürliche Verläufe auch abwandeln, um sie unseren aktuellen Bedürfnissen anzupassen, unabhängig von langfristigem Nutzen oder gar Schaden", sagt sie.

Für das Kind sei ein nicht medizinisch notwendiger Kaiserschnitt keine Erleichterung. Der plötzliche Übergang aus dem Mutterleib könne Anpassungsstörungen des Neugeborenen zur Folge haben. Für die Mütter bestehe bei einer weiteren Schwangerschaft die Gefahr, dass die Narbe der Gebärmutter reißt - weshalb mitunter von vornherein zu einem weiteren Kaiserschnitt geraten werde. "Ich würde mir sehr wünschen, dass wir hierzulande wieder lernen, uns mehr auf die ganz normalen Lebensvorgänge einzulassen, sie zu schätzen und mit ihnen zu wachsen", sagt die Vorsitzende, denn "das Normale ist etwas ganz Besonderes".

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