"Ich, ohne Familie, nicht mal mit Hund"

Burbach. "Schwarz vor Menschen" - Eva Pollmann scheint diese Formulierung zu mögen. "Schwarz vor Menschen" war die Straße, als sie 1977 als Pfarrerin in Burbach ihren Dienst antrat. Nicht, weil die neue Pfarrerin kam, die erste Frau in diesem Amt in ganz Saarbrücken. Schwarz vor Menschen war die Straße, weil Schichtwechsel auf der Hütte war

Burbach. "Schwarz vor Menschen" - Eva Pollmann scheint diese Formulierung zu mögen. "Schwarz vor Menschen" war die Straße, als sie 1977 als Pfarrerin in Burbach ihren Dienst antrat. Nicht, weil die neue Pfarrerin kam, die erste Frau in diesem Amt in ganz Saarbrücken. Schwarz vor Menschen war die Straße, weil Schichtwechsel auf der Hütte war."Burbach war damals ein lebendiger Stadtteil mit vielen Geschäften", erinnert sie sich. Und ein Arbeiterstadtteil. Deshalb, "wegen dieser Romantik", habe sie nach Burbach gewollt, damals mit 30 Jahren nach ihrem Vikariat in Alt-Saarbrücken. "Ich dachte: Ich helfe den Leuten auf die Sprünge. Die haben mir dann auf die Sprünge geholfen", sagt Eva Pollmann.Wobei ihr klar gewesen sei, dass es für sie als Frau schwierig werde. "Ich komme aus einem Pfarrhaushalt und wusste: Der Pfarrer ist männlich", sagt sie. In Burbach seien ihre Vorgänger "richtige Pfarrherren" gewesen. "Und dann komme ich: ohne Familie, nicht mal mit Hund." Der Widerstand gegen die erste Frau im Talar hielt sich aber in Grenzen. "Eine Frau hat mich für eine Beerdigung abgelehnt. Insgesamt bin ich mit viel Liebe aufgenommen worden", erinnert sich Eva Pollmann.Die Pfarrerin erwiderte diese Liebe. Und litt umso mehr darunter, dass ihr Burbach in die Krise kam. "Es ging alles den Bach runter, erst fiel das weg, dann das. Da konnte man, auch wenn man Burbach liebt, nicht mehr wegschauen", sagt sie.Eine Demonstration von Bergleuten, die von Luisenthal durch Burbach in die Innenstadt zogen, ist ihr noch in Erinnerung. In "verbitterte Gesichter, die zu sagen schienen: ,Wir haben doch den Wohlstand gebracht, und jetzt sind wir nichts mehr wert'", habe sie geblickt. Den Hüttenarbeitern ging es ähnlich, sagt Pollmann. Trotz der schweren, gefährlichen Arbeit: "Die Hütte war auch ein zweites Zuhause.""Dann passierte die Sache mit Heckel", sagt Pollmann, so wie man sagt: Dann war alles anders. Anfang Juni 1982 deutete Arbed an, dass die Burbacher Drahtzieherei Georg Heckel geschlossen werden soll. Der Betriebsratsvorsitzende Günter Gard, sein Bruder Rudi und die Betriebsräte Günther Setz und Norbert Schmitz traten am 15. Juni in einen Hungerstreik.Die Belegschaft wurde hingehalten. Daraufhin beschlossen die Arbeiter, so beschrieb es der SPD-Politiker Reinhard Klimmt später, "nicht zu streiken, sondern weiterzuarbeiten und den Arbeitsplatz, für den sie sich so stark machten, nicht mehr alleine zu lassen". Der Betrieb wurde besetzt, die Arbeiter schliefen nun auch dort. Zu denen, die die Heckelaner unterstützten, gehörten auch Eva Pollmann und ihr katholischer Kollege Klaus Konstroffer. "Ich habe gewusst: Das ist mein Platz", sagt Pollmann. Weil die Männer das Gelände nicht verlassen wollten, sollte bei Heckel ein Heiligabendgottesdienst gefeiert werden. "Der Gottesdienst wurde uns untersagt, also haben wir halb auf der Straße gefeiert", erinnert sich Pollmann. Etwa 500 Burbacher kamen. "Die Straße war schwarz vor Menschen."

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