Erstes Kinderhospiz in Homburg Kinder sagen, wo sie sterben wollen

Saarbrücken/Homburg · Zehn Jahre Hindernislauf sind zu Ende: In Homburg wird das erste Kinderhospiz Saar entstehen. Auf dem Gelände der Uni-Kliniken.

 Gerade schwerstkranke Kinder brauchen ihre geliebten Dinge – zum Beispiel ein Stofftier oder ein Foto des besten Freundes oder der besten Freundin – um sich.

Gerade schwerstkranke Kinder brauchen ihre geliebten Dinge – zum Beispiel ein Stofftier oder ein Foto des besten Freundes oder der besten Freundin – um sich.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Wenn alle das Gute wollen, heißt das nicht, dass Konflikte ausbleiben. Das Projekt Kinderhospiz Saar taugt als Beispiel dafür. Rund zehn Jahre ging es Hü und Hott.  Wo soll die Einrichtung hin? Nach Bous, Tholey oder Homburg? Soll das Hospiz ein Schutzraum nur für Kinder und deren Familien sein oder eine völlig neuartige,  generationenübergreifende Institution?

Unterschiedliche Privat-Initiativen beharkten und behinderten sich gegenseitig beim Thema Standort und Konzept, beanspruchten sogar die Moderation des Bundesverbandes Kinderhospiz. Das Ergebnis: Stagnation, zumindest öffentlich. Kein Bau, nirgends, freilich auch kein Streit mehr. Insofern ist es kein Wunder, dass am 7. März im saarländischen Landtag nahezu unbemerkt eine politische Entscheidung fiel, die nun endlich grünes Licht bedeutet und Klarheit schafft: Auf dem Gelände des Homburger Universitätsklinikums soll ein „Hospiz für Kinder und Erwachsene“ entstehen, so der Beschluss. Und der bedeutet nicht etwa einen Start bei Null. Denn die Homburger Siebenpfeiffer Hospiz- und Palliativgesellschaft gGmbH hat fleißig vorgearbeitet, ja hat Nägel mit Köpfen gemacht: einen ehrenamtlich motivierten Architekten für erste Entwürfe gefunden, einen innovativen Workshop mit Betroffenen veranstaltet, Optionen für Grundstücke gesichert.  2019 könnte Grundsteinlegung sein. 2022 die ersten Patienten kommen. Nicht nur Kinder.

Der Neubau am grünen Rand des Uniklinik-Geländes soll insgesamt 22 Plätze bieten; zehn für Kinder, zwölf für Erwachsene. „Wir konnten und wollten nicht mehr warten“, sagt Peter Barrois im Hinblick auf den langen Hindernislauf. Er ist Direktor des Sozialpädagogischen Netzwerks beim Landesverband der Arbeiterwohlfahrt, der 2017 zusammen mit dem Homburger Förderverein für altersübergreifende Palliativmedizin e.V. die Siebenpfeiffer Hospizgesellschaft gründete. Barrois fungiert als Geschäftsführer. Die finale Planungsphase sei erreicht, sagt er, ein Businessplan erstellt. „Wir werden noch in diesem Jahr Gespräche mit den Krankenkassen führen,  um Versorgungsverträge abzuschließen.“ Es ist dies die wohl letzte große Hürde, sie heißt Finanzierung, sowohl des Baus wie auch des Betriebs. Weil die Patienten in stationären Hospizen nicht zuzahlen, werden die Kosten vom Hospizträger, von Sponsoren und Spendern sowie von Kranken- und Pflegekassen übernommen.

Barrois nennt keine Größenordnung für die Investitionskosten. Der Neubau wird jedoch rund 2000 Quadratmeter Grundfläche haben, was, grob geschätzt, eine Summe von rund sieben Millionen Euro erforderlich machen würde.

Doch was soll ein Kinderhospiz überhaupt leisten? Anders als gemeinhin angenommen, handelt es sich nicht um Sterbehäuser für Kinder. Vielmehr geht es um eine Art zweites Zuhause, weil Kinder mit lebensverkürzenden Krankheiten über Jahre immer wieder dort auftauchen, zusammen mit ihren Eltern und womöglich auch mit Geschwistern. Den Hospizaufenthalt  erleben alle wie eine Auszeit. „Wir sorgen für eine Stabilisierung aller, damit es zuhause wieder gut läuft“, sagt Professor Sven Gottschling, Chef des Zentrums für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie am Uniklinikum Homburg.  Dort  werden Kinder und Erwachsene zusammen versorgt, doch für das entstehende Hospiz musste er das Mehrgenerationen-Modell aufgeben, das seiner Meinung nach  Pilotcharakter hätte entwickeln können.

Laut Gottschling bestehen die Krankenkassen auf strikter Trennung. Im Homburger Hospiz würden jedoch beide Patientengruppen in einem gemeinsamen Baukörper untergebracht und könnten Kontaktzonen nutzen. Gottschling betont: „Wir sprechen von einer Familieneinrichtung und verfolgen einen Familienversorgungsgedanken.“ Es gehe nicht nur um die bestmögliche medizinische und pflegerische Versorgung von Schwerstkranken oder Sterbenden, sondern auch um die bestmögliche Atmosphäre und Betreuung der Angehörigen. „Unser Hospiz hat vor allem eine Entlastungsfunktion für die Betroffenen“.

Und letztere spielen deshalb bei der architektonischen Planung eine ungewöhnlich aktive und mitbestimmende Rolle.

„Wir wollen das Lebensende neu denken, dann muss man neue Wege gehen“, erklärt Barrois. „Neugestaltung eines Hospiz durch partizipative Innovationsmethoden“ hieß der dreitägige Workshop unter anderem mit Kindern, Eltern, Pflegepersonal, Ärzten und Trauer-Fachleuten. „Es war das Highlight meines Berufsjahres“, sagt Barrois: „Ich begriff, dass wir da was bauen für Menschen, die noch mittendrin sind im Leben.“ Architekt Roland Damm hat derweil seine ersten Entwürfe in den Papierkorb befördert: „Sowas habe ich noch nie erlebt. Wie schön die Zimmer waren, interessierte kaum.“

  Professor Sven Gottschling leitet das Palliativzentrum an der Uniklinik Homburg. Die  Nähe der neuen Hospiz-Einrichtung bietet seiner Meinung nach erstmals den Vorteil einer medizinischen Komplettversorgung aus einem Guss.

Professor Sven Gottschling leitet das Palliativzentrum an der Uniklinik Homburg. Die  Nähe der neuen Hospiz-Einrichtung bietet seiner Meinung nach erstmals den Vorteil einer medizinischen Komplettversorgung aus einem Guss.

Foto: Iris Maria Maurer

Stattdessen denkt er jetzt unter anderem über „Familienschreine“ nach – individuelle Ecken für geliebte Dinge von Zuhause –  über räumliche Lösungen für Intimität und Rückzug trotz und in Gemeinschaft.  Das Wort Wohlfühlen buchstabieren in Homburg die Kinder.

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