Hoofer Tierfreunde retten zahmes Reh vor Abschuss Streit ums Gesetz: Hätte Jäger im Dorf schießen dürfen?

Hoof. Im Fall des Hoofer Rehs gibt es mehrere Streitpunkte. Die Hoofer Tierfreunde bezweifeln, dass der Jäger das Reh an besagter Stelle überhaupt hätte erlegen dürfen. Ihrer Meinung nach handelte es sich um ein Privatgrundstück, das im befriedeten Bereich liegt. Dort dürften Schusswaffen nur mit Erlaubnis der obersten Jagdbehörde verwendet werden

 Bettina, das Reh, fand viele Freunde unter den Hoofern. Von denen ließ sich das junge Reh füttern und streicheln. Foto: Müller

Bettina, das Reh, fand viele Freunde unter den Hoofern. Von denen ließ sich das junge Reh füttern und streicheln. Foto: Müller

Hoof. Im Fall des Hoofer Rehs gibt es mehrere Streitpunkte. Die Hoofer Tierfreunde bezweifeln, dass der Jäger das Reh an besagter Stelle überhaupt hätte erlegen dürfen. Ihrer Meinung nach handelte es sich um ein Privatgrundstück, das im befriedeten Bereich liegt. Dort dürften Schusswaffen nur mit Erlaubnis der obersten Jagdbehörde verwendet werden. "Das Haus und der Garten waren umzäunt. Das Reh befand sich auf der Wiese dahinter, die aber zum gleichen Grundstück gehört", erklärt Anwohner Frank Müller. Wie die Polizei St. Wendel auf Nachfrage erklärt, hat der zuständige Jagdpächter sich gemeldet. "Der Jagdpächter wurde daraufhin polizeipflichtig gemacht, also beauftragt, sich um diese Aufgabe zu kümmern. Die Polizei darf eigene Aufgaben an geeignete Personen, in dem Fall Jäger, übertragen", erklärt Otmar Löber von der Polizei. Landesjägermeister Daniel Hoffmann bezweifelt zudem, dass sich das Reh im befriedeten Bereich befand. Die Schießerlaubnis der Polizei sei deshalb gar nicht nötig gewesen. Diese Ansicht teilt der Landkreis St. Wendel als untere Jagdbehörde. Jörg Kiefer, zuständig für Jagdrecht, erklärt: "Der befriedete Bezirk umfasst nur die Gebäude und ihre unmittelbar eingefriedeten Gärten." Ob es auf dem Grundstück noch andere Begrenzungen gebe, wie in diesem Fall einen Wassergraben, sei unerheblich. Auch habe der Jagdbevollmächtigte das Recht, das nicht befriedete Grundstück ohne Einwilligung des Grundstückseigentümers zu betreten. Auf diesem Gebiet dürfe auch gejagt werden.

Wenig Fingerspitzengefühl wirft der Verein Wildtier und Artenschutz Saar sowohl den Jägern, als auch der Polizei vor. Die Polizei habe die Order gegeben, das Tier zu töten, wenn es verletzt sei, ohne das Tier vorher zu begutachten. Zudem habe der Jagdpächter beim ersten Besuch gar nichts zu beanstanden gehabt. "Hier geht es nicht mehr um das Reh, sondern die Jäger wollen nur ihre Macht in Bezug auf die Wildtiere öffentlich stärken", sagt der Vorsitzende Hartmann Jenal. uo

Hoof. Ein Reh ist ein Wildtier, ein Fluchttier, das sich in der Regel von Menschen fernhält. Doch was ist, wenn ein Reh plötzlich in einer Wohnsiedlung auftaucht, vor den Anwohnern nicht davonläuft, sondern sich sogar füttern lässt? Für die Anwohner ist klar: Das Tier sieht gesund aus, es frisst den Menschen aus der Hand, also muss es eine Handaufzucht sein. Die Jäger hingegen meinen: Das Tier muss krank oder verletzt sein, sonst würde es weglaufen, selbst als Handaufzucht. Ein solcher Fall sorgt derzeit in Hoof für viel Ärger.

Am Mittwoch vergangener Woche war das Reh in Hoof aufgetaucht, lag auf dem Grundstück hinter einem Wohnhaus. "Das Reh war handzahm und zutraulich", berichtet Nachbar Frank Müller. Viele Anwohner seien gekommen, um das Reh zu sehen, darunter auch Kinder. "Wir haben versucht, das Reh aufzupäppeln", sagt Müller. Die Familie holte sich Rat, alle waren sich einig, dass das Tier, das nun Bettina genannt wurde, von Menschenhand aufgezogen oder gepflegt worden sein müsse. Einen Tag später sei der örtliche Jagdpächter, Bernd Jung, vorbeigekommen und habe bestätigt, dass das Tier gesund sei. Jedoch sei am vergangenen Samstag der Sohn des Jagdpächters erschienen, um das Reh zu erschießen. "Er lieferte uns auf Nachfrage vier verschiedene Begründungen. Erst hieß es, das Reh sei krank. Dann sagte er, dass es bei einem Unfall einen 'Dachschaden' erlitten habe. Als Nächstes meinte er, dass es seine Scheu vor Menschen verloren hätte und deswegen erlegt werden müsste. Und zum Schluss sagte er, dass so viele Leute angerufen hätten wegen des Rehs, dass es ihn nervt und er es deswegen erschießen will", wirft Müller dem Sohn des Jagdpächters, der auch Jäger ist, vor. Die Anwohner hätten sich jedoch vor das Reh gestellt, weshalb der Jäger wieder abzog. Zudem dürfe der Jäger das Tier nur erlegen, wenn es schwer verletzt oder krank sei, meint er. Müller zitiert Paragraf 22 a des Bundestierschutzgesetzes, wonach schwerkrankes Wild erlegt werden soll, "es sei denn, dass es genügt und möglich ist, es zu fangen und zu versorgen". Beide Jäger wollten auf SZ-Nachfrage keine Stellung dazu nehmen und verwiesen an den Landesjägermeister Daniel Hoffmann.

Ungewöhnliches Verhalten

"Dass sich ein Reh so den Menschen nähert, ist absolut ungewöhnlich für dieses Tier", sagt Hoffmann unserer Zeitung. Seine Erklärung für dieses Verhalten: Es müsse krank, verletzt oder altersschwach sein. Deshalb hat der Landesjägermeister auch keine Bedenken, solch ein Tier zu erlegen. "Das ist gewöhnlich eine klare Sache, gerade in dieser Jahreszeit." Denn bis Ende Januar ist noch Jagdsaison. "Außerdem ist es biologisch unsinnig, ein Tier retten zu wollen mit teuren Maßnahmen, wie ein Haustier. Es ist ein Wildtier. In freier Natur wäre es sicher einem Luchs zum Opfer gefallen", sagt der Biologe Hoffmann.

Doch damit ist der Ärger um das Reh noch nicht beendet. Laut Familie Müller sei das Reh später von allein zurück in den Wald gelaufen. Jedoch erstattete der Jagdpächter später bei der Polizei Anzeige gegen die Schwester von Frank Müller, Susanne, wegen Jagd-Wilderei. Sie soll das Tier in ein Auto verladen und weggebracht haben. "Rechtlich gesehen sind die Tiere herrenlos. Wenn die Familie aber das Tier aufgenommen hat, begeht sie Jagdwilderei, unabhängig davon, ob sich das Tier im Garten oder im Wald befand. Außer dem Jagdpächter hat keiner das Recht, sich ein Tier anzueignen", erklärt Landesjägermeister Daniel Hoffmann. Die Polizei St. Wendel bestätigt die Anzeige, die Beteiligten seien bereits vernommen worden. Ob es tatsächlich zu einer Anklage kommt, darüber entscheide der Staatsanwalt, erklärt Otmar Löber von der Polizei.

Meinung

Gerechtigkeit für Bambi Bettina

Von Ulrike Otto und

Evelyn Schneider (SZ)

Wer ist im Recht, wer im Unrecht? Darüber streiten in Hoof Tierfreunde und Jäger. Anlass der Aufregung ist der Ausflug eines Rehs ins Dorf. Dort ließ es sich füttern und war den Menschen gegenüber zutraulich. Für die Tierfreunde war klar: Das Reh ist an Menschen gewöhnt. Die Jäger vermuteten jedoch eine Krankheit oder Verletzung. Doch untersucht wurde es nicht. Stattdessen sollte es getötet werden. Ein Schock für die Anwohner, die sich dem Jäger entgegen stellten.

Natürlich soll Recht Recht bleiben, aber nicht alles, was recht ist, ist auch richtig. Mehr Fingerspitzengefühl gegenüber den Menschen, die Reh Bettina in ihr Herz geschlossen haben, hätte der Situation gut getan - und dem erbitterten Streit zwischen Jagdbefürwortern und -gegnern keine neue Munition geliefert.

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