Herren der Rituale

Saarbrücken. Männlich, Student und deutscher Staatsbürger sind die Kriterien, um einer der beiden Saarbrücker Burschenschaften Ghibellinia zu Prag oder Germania beizutreten. In beiden Häusern verbinden sich geschichtliche Traditionen mit modernem Studentenleben

 Charles Kersten, Volker Ochs mit Hund Falk und Marvin Stein (von links) von der Saarbrücker Burschenschaft Germania. Foto: Dietze

Charles Kersten, Volker Ochs mit Hund Falk und Marvin Stein (von links) von der Saarbrücker Burschenschaft Germania. Foto: Dietze

Saarbrücken. Männlich, Student und deutscher Staatsbürger sind die Kriterien, um einer der beiden Saarbrücker Burschenschaften Ghibellinia zu Prag oder Germania beizutreten. In beiden Häusern verbinden sich geschichtliche Traditionen mit modernem Studentenleben. Ihre Wurzeln gehen zurück bis zur so genannten Urburschenschaft, die beim Wartburgfest 1817 zum ersten Mal öffentlich aktiv wurde und für ein politisches Ziel kämpfte: den freien, deutschen Einheitsstaat. Heute sind Burschenschaften gehasst, verdammt, vergöttert: sie polarisieren. Die Freiheit sei längst errungen, doch sie kämpfen noch immer. Mit Worten, mit Liedern - und mit scharfen Waffen. Das sei nicht mehr zeitgemäß. "Wer bestimmt denn, was zeitgemäß ist?" kontert Philippe Knapp, Bursche der Ghibellinia. Die Ghibellinen und die Germanen sind schlagende Verbindungen. Fechten ist für Mitglieder Pflicht. Jeder, der aufgenommen werden will, muss mindestens zwei Partien fechten. "Die Mensur ist ein Erziehungsmittel", sagt Volker Ochs, Vorsitzender der Germania. "Es zeigt die Bereitschaft für etwas einzustehen, den Kopf hinzuhalten und ist persönlichkeitsprägend." Auch Dominique Rossi von der Ghibellinia verteidigt die Mensur: "Es schreckt Trittbrettfahrer ab." Schließlich gebe es Studenten, die einer Verbindung beitreten, nur um größere Karrierechancen zu haben. "Wir sind doch kein Wunschkonzert", so Rossi weiter. Burschen müssten Leistung bringen. Im Studium und für die Gemeinschaft. "Jeder bekommt ein Amt, um das er sich kümmern muss," sagt Philippe Knapp, selbst Fechtwart bei den Ghibellinen. "Die Burschenschaft bringt Studenten Dinge bei, die sie an der Uni nicht lernen," sagt Rossi, "die oft geforderten soft skills (soziale Kompetenz, Anm. d. Red.)." Der Erfolg scheint ihnen Recht zu geben. Jeder zweite Ghibelline schließt sein Studium mit einer Promotion ab. Wer sein Studium beendet hat, wird "alter Herr". Die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft ist ein Lebensbund. So entstehen bundesweit Netzwerke über Generationen. Alle Mitglieder bezeichnen sich als Brüder und sind natürlich per "bundesbrüderlichem Du". "Wie in einer großen Familie", sagt Rossi. Nur die Schwestern fehlen. Und die Mütter. Denn Frauen müssen draußen bleiben. "No woman, no cry", zitiert Matthias Immesberger von den Ghibellinen einen Titel von Bob Marley. Frei übersetzt: Keine Frau, keinen Ärger. Der reine Männerbund begründe sich ebenfalls aus der Geschichte: "Frauen haben früher weder gekämpft noch studiert", sagt Ochs, alter Herr bei der Germania, "und wir empfinden es als wohltuend, dass keine Frauen da sind." Dennoch sei ihr Frauenbild völlig gleichberechtigt. Das gilt für beide Burschenschaften. Doch es gibt auch Unterschiede. Die Ghibellinia setzt vor allem auf Netzwerkbildung. Die Germanen legen ihren Schwerpunkt auf die Vermittlung von Werten. Werte, "die in der Gesellschaft oft vernachlässigt werden", so Ochs. Das Werteverständnis ergebe sich aus dem Wahlspruch der Verbindung: "Gott, Freiheit, Ehre, Vaterland." Ganz so eng scheinen die hehren Worte dann aber auch nicht verstanden zu werden. Marvin Stein, Bursche der Germania, glaubt nach eigener Aussage überhaupt nicht an Gott. Auch das Freiheitsverständnis unterliegt der eigenen Interpretation der Burschenschaft, denn es gelten feste Regeln: rigide Kleiderordnungen "um das Niveau zu wahren", Versammlungen, obligatorische Sportveranstaltungen, ja, sogar fixe Gesprächsrunden. Auch das Vokabular ist einheitlich. Einheitlich anders. Das ritualisierte Feiern etwa heißt "Kneipe", da gibt es viel "Kneipstoff", also Bier. "Getrunken wird aber kontrolliert", sagt Fuchs. Nicht mehr als auf einem durchschnittlichen Familiengeburtstag auch. Doch es gibt auch andere Facetten. In der "Germanen-Zeitung" grinst ein junger Student von einem Foto, auf seinem T-Shirt steht: "Schläfst du noch, oder trinkst du schon?" Im dazugehörigen Text schreibt er stolz von seiner Liebe zum Bier und dass er schon mit 13 Jahren eine Alkoholvergiftung hatte. Auch das kann ein Gesicht einer Burschenschaft sein. "Die Burschenschaft bringt Studenten Dinge bei, die sie an der Uni nicht lernen."Dominique Rossi von der Burschenschaft Ghibellinia

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