Heimbewohner vermissen Fachärzte

Saarbrücken · Ein Heimbetreiber kritisiert die fehlende Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung sieht dafür keinen Auftrag.

Mehr als 12 000 Menschen wohnen in den rund 160 Pflegeheimen im Saarland - und alle benötigen ärztliche Versorgung. Doch gerade der Kontakt zu Fachärzten gestaltet sich für die Heimleitungen oft schwierig, berichtet Bernd Meyer. Er ist der Leiter des Wichernhauses in Saarbrücken und im Bereich Ärzteversorgung täglich mit mehreren Problemen konfrontiert. "Es ist die Regel, dass zehn bis 20 Anrufe erfolgen, bis überhaupt jemand zu erreichen ist", erzählt er. Dann sei es schwer, einen Termin für die kranken Senioren zu finden. Ein besonders großes Problem bestünde zum Dritten darin, wenn Patienten nicht transportfähig seien. Denn: "Es ist fast unmöglich, dass ein Facharzt ins Haus kommt."

Dies sei nicht der Versorgungsauftrag der Fachärzte, erklärt Dr. Joachim Meiser, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung im Saarland. Denn eine Behandlung im Pflegeheim sei eine häusliche Behandlung. Ob ein Besuch des Facharztes eine mögliche Alternative darstelle, sei eine Frage der Abwägung. Manche Leistungen seien im Heim schlichtweg nicht erbring bar, ein Neurologe zum Beispiel brauche in aller Regel technische Geräte. Meiser ist optimistisch: "Ich glaube, dass man in den meisten Fällen eine Lösung findet."

Diese Lösung ist dann in letzter Instanz die Einweisung ins Krankenhaus, berichtet Meyer. Dies aber bedeute für viele Bewohner ungeheuren psychischen Stress, ergänzt er: "Sie wissen gar nicht, was passiert." Insgesamt komme es im Wichernhaus pro Jahr zu etwa 250 bis 300 Krankenhauseinweisungen, und Meyer ist sicher: "Jede zweite Krankenhauseinweisung könnte vermieden werden." Was jedoch fehlt, ist eine bessere Erreichbarkeit, auch der Hausärzte - gerade am Wochenende.

Gerade auf die Hausärzte setzt Meiser. "Wir brauchen eine stabile hausärztliche Basisversorgung", erklärt er. Eine Möglichkeit hierfür seien Ärztenetzwerke, bei denen sich eine Gruppe von Hausärzten zusammentue und dann gemeinsam ein Pflegeheim betreue. Dort müssten dann Fachärzte miteinbezogen werden. Mehr solcher Ärztenetze wünscht sich ebenfalls der saarländische Pflegebeauftragte Jürgen Bender. Durch sie könne in Notfällen und am Wochenende stets jemand kommen, der Haus und Bewohner kenne.

Gerade in Städten wie Saarbrücken sei es jedoch schwierig, ein Ärztenetz zu etablieren. "Es gibt Pflegeheime mit 60 Bewohnern, da arbeiten 20 Hausärzte", berichtet Meiser. Auf Grund des Rechts der freien Arztwahl können die Bewohner nicht gezwungen werden, sich von einem Ärztenetz behandeln zu lassen. Aber, räumt Bender ein: "Man kann einem Patienten nahe legen, einen anderen Arzt zu testen." Eine weitere Verbesserung der Situation könnte erreicht werden, wenn die Fachkräfte im Heim gewisse medizinische Anwendungen selbst vornehmen könnten, ergänzt Meyer: "Wenn die Fachkräfte das dürften, was sie können, könnten wir vieles schon verbessern."

Denn selbst mit einem Hausärztenetzwerk bleiben zwei Probleme bestehen: Einerseits sind viele Menschen multimorbid, sagt Meyer, sind also von mehreren Krankheitsbildern gleichzeitig betroffen. Andererseits würden insgesamt mehr Fachärzte benötigt, ergänzt Meiser. Doch bei der Frage nach der Anzahl komme es auch darauf an, welchen Versorgungsanspruch man habe - gerade im Hinblick darauf, dass viele Patienten immer mehr chronische Krankheiten haben. Hier sei der Hausarzt gefragt, die individuellen Patientenziele zu beachten und festzulegen, was vorrangig behandelt werden soll und was man zurückstellen könnte. Viele Krankheiten könnten so möglicherweise hausärztlich geführt werden, sagt Meiser.

Für die Facharzttermine außerhalb müssten die Heime Springer vorhalten, betont Bender, denn: "Die Überzahl der Patienten ist transportfähig." Und im Notfall gebe es ja weiterhin die Krankenhäuser, schließt Meiser: "Wichtig ist, dass die Leute versorgt werden."

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