Neunkircher Zoo Gutachten: Pavian-Haltung ist artgerecht

Saarbrücken/Neunkirchen · Primatenforscher Franz-Josef Kaup stellt seine Expertise über die Unterbringung der Tiere im Neunkircher Zoo vor.

 Kaum Fell, hängende Unterlippe: Dieser Pavian zeigt zwar chronische Veränderungen, verhalte sich aber völlig normal, sagt Professor Franz-Josef Kaup. Mit 30 Jahren ist er das älteste Tier der Gruppe im Neunkircher Zoo.

Kaum Fell, hängende Unterlippe: Dieser Pavian zeigt zwar chronische Veränderungen, verhalte sich aber völlig normal, sagt Professor Franz-Josef Kaup. Mit 30 Jahren ist er das älteste Tier der Gruppe im Neunkircher Zoo.

Foto: Marc Prams

„Es gibt keine Tierquälerei bezogen auf die Mantelpaviane im Zoo in Neunkirchen“, sagte am Freitag Umweltminister Reinhold Jost (SPD). Dies belegt ein Gutachten des Pavian-Experten Professor Franz-Josef Kaup, das vom Ministerium in der Diskussion um die artgerechte Haltung der 104 Tiere in Auftrag gegeben wurde. Kaup, Tierschutzbeauftragter des Leibniz-Instituts für Primatenforschung in Göttingen, hat dem Zoo im Sommer einen unangemeldeten zweitägigen Besuch abgestattet, um die Unterbringung der Paviane wissenschaftlich einzuschätzen. Das Ergebnis: In Neunkirchen gibt es laut dem Experten keine tierschutzrechtlichen Verstöße. Wohl aber kleinere Mängel, die behoben werden sollten.

In der Debatte um die Pavian-Haltung im Neunkircher Zoo übten Tierschutzverbände und der Landestierschutzbeauftragte Hans-Friedrich Willimzik Kritik an Neunkirchens Zoodirektor Norbert Fritsch sowie an der Obersten Tierschutzbehörde. Sie sehen Verstöße gegen die artgerechte Tierhaltung gemäß dem Säugetier-Gutachten der Bundesregierung. Da beispielsweise das Innengehege in Neunkirchen nur 50 Quadratmeter misst, dürften hier laut Kritikern gerade einmal acht der über 100 Tiere gehalten werden.

Das nun erstellte Gutachten des Pavian-Experten Kaup trifft zumindest mit Blick auf die Diskussion zwischen Tierschützern und Umweltministerium eine klare Entscheidung. Kaup attestiert den Mantelpavianen ein „ungestörtes Allgemeinbefinden und einen guten Ernährungs- und Pflegezustand sowie in jeder Beziehung normales Verhalten“. Verhaltensstörungen habe er nicht beobachtet. Das von den Kritikern immer wieder angeführte Säugetier-Gutachten sei „keine Rechtsvorschrift, sondern eine Empfehlung, Leitlinien“, betonte Kaup. Diese habe er in seiner Expertise berücksichtigt, sich aber nicht, wie die meisten Kritiker, nur auf die Quadratmeterzahl der Gehege beschränkt. „Die Quadratmeterzahl von Innenräumen ist nicht alleine entscheidend, um die Tierhaltung zu beurteilen und um daraus Rückschlüsse zu ziehen, die sehr massiv sein können – wie Straftatbestände der Tierquälerei.“

In seinem Gutachten räumt Kaup aber ein, dass es unstrittig ist, dass in Neunkirchen der Raumbedarf für das Innengehege gemäß Säugetier-Gutachten zu niedrig ist und eine Vergrößerung künftig erforderlich ist. Nichtsdestotrotz verursacht das derzeitige Angebot keine unangemessene Unterbringung der Tiere.

Denn um überhaupt unter diesem Punkt über eine artgerechte Haltung der Tiere diskutieren zu können, sei es erforderlich zu wissen, wie Mantelpaviane in Freiheit leben, sagte Kaup. Sie leben in sogenannten „Harems-Gruppen“, also ein Männchen mit bis zu zehn Weibchen, eng zusammen. Daraus bilden sich dann Herden mit bis zu 800 Tieren, die den Tag getrennt verbringen und nachts auf höheren Stellen, wie Felsen, dicht gedrängt wieder zusammenkommen. Zudem leben die Paviane in Savannen, Wüsten und Steppen, wo es tagsüber sehr warm sein kann, nachts aber Temperaturen unter dem Gefrierpunkt herrschen können.

„Die Tiere sind sehr robust und wetterfest“, erklärte Kaup. „Man kann davon ausgehen, dass die Tiere bei tiefen Temperaturen und in der Nacht wie in der Natur eng zusammenrücken, so dass die vom Säugetier-Gutachten empfohlene Fläche für Innenräume unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht notwendig erscheint“, argumentiert der Experte. Daher könne, auch wenn die Innenraumsituation „sehr knapp bemessen ist“, von einer verhaltensgerechten Unterbringung ausgegangen werden.

Das Außengehege übertrifft mit rund 600 Quadratmetern hingegen die Empfehlung des Säugetier-Gutachtens (337 Quadratmeter) erheblich und sei an den natürlichen Lebensraum der Tiere angepasst, betont Kaup. Er empfiehlt zudem, mit gewissen Maßnahmen wie einem regelmäßigen Austausch von Baumstämmen, einem wechselnden Angebot anderer Gegenstände oder der Wiedereinrichtung der ehemaligen Wasserstelle die Außenanlage noch attraktiver zu gestalten.

Die teilweise in den Medien kritisierten Einzelbefunde von kranken Tieren schaute sich Kaup ebenfalls genauer an. Bei einem Tier hänge zeitweise durchaus die Unterlippe herunter und das Fell sei kaum mehr vorhanden. „Das ist das älteste Tier der Gruppe. Es zeigt zwar chronische senile Veränderungen, aber es verhält sich gut und zeigt sonst keinerlei Abweichung von der Norm.“ Ein Jungtier, dessen hinteres Bein gelähmt ist, „hat von Geburt an diese Behinderung“, sagt Kaup. Es sei in der Gruppe integriert.

Verbesserungspotenzial sieht Kaup im Geburten-Management. Das bedeutet, dass der Zoo künftig ein noch stärkeres Augenmerk auf die Geburtenkontrolle legen müsse. Mit 104 Pavianen sei die „Tierkolonie für eine zoologische Einrichtung außergewöhnlich groß“. Bereits 2010 und 2016 hatte der Zoo mit unterschiedlichen Eingriffen zur Empfängnisverhütung Maßnahmen zur Geburtenkontrolle ergriffen.

Um den Bestand der Paviane kontinuierlich zu reduzieren, müssen diese Maßnahmen laut Kaup weiter durchgeführt werden. Tier-Abgaben an andere Zoos machen ebenfalls Sinn, so der Experte. „Da muss man dann soziale Gruppen abgeben und nicht einfach in die Sozialstruktur der Tiere eingreifen.“

Bevor all diese Maßnahmen umgesetzt werden, müsse der Zoo einen Plan erstellen und klarstellen, wie viele Tiere, also wie viele Harems-Gruppen, er überhaupt halten möchte. „Daran müssen dann die Infrastruktur-Maßnahmen angepasst werden“, so Kaup.

Minister Jost zeigte sich erleichtert. Es sei von Interesse, dass dadurch „klar und deutlich zum Ausdruck gebracht wird, dass die Oberste Tierschutzbehörde ihren Aufgaben nachgekommen ist. Ich wehre mich aufgrund der Ergebnisse dieses Gutachtens gegen eine weitere Klischee-Diskussion, die da lautet: ‚Man ist der Auffassung, das sei Tierquälerei’.“ Der Minister forderte künftig faktenbasierte Diskussionen.

Zudem soll der Neunkircher Zoo die von Kaup vorgeschlagenen Verbesserungen „zügig angehen“. Die Oberste Tierschutzbehörde werde gemeinsam mit dem Landesamt für Verbraucherschutz, verantwortlich für die Einhaltung des Tierschutzgesetzes, den Prozess begleiten und weiter die Expertise von Professor Kaup in Anspruch nehmen.

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