Giokas und Woywode zeigen Kleist in anderem Licht

Saarbrücken. In Plisseerock, Umhang und artig frisiert die eine, in Gehrock und Rüschenhemd der andere: Am Donnerstag lud das Frauenbüro des Regionalverbands in den Schlosskeller zu einer Lesung mit Birgit Giokas und Fred Woywode. Anlässlich des 200

 Fred Woywode im Rüschenhemd beim lebendigen Vortrag. Foto: Dietze

Fred Woywode im Rüschenhemd beim lebendigen Vortrag. Foto: Dietze

Saarbrücken. In Plisseerock, Umhang und artig frisiert die eine, in Gehrock und Rüschenhemd der andere: Am Donnerstag lud das Frauenbüro des Regionalverbands in den Schlosskeller zu einer Lesung mit Birgit Giokas und Fred Woywode. Anlässlich des 200. Todestags Heinrich von Kleists (1777-1811) lasen die beiden Schauspieler ausgewählte Briefe sowie die Anekdote "Der verlegene Magistrat" und die Erzählung "Das Bettelweib von Locarno". Letztere wollten sich freilich nicht recht ins Programm einfügen, das unter dem Motto "Kleist und die Frauen" stand.Zur Erhellung eben dieses Themas gut ausgewählt war jedoch der Briefwechsel Kleists unter anderem mit seiner Verlobten Wilhelmine von Zenge, seiner Halbschwester Ulrike, seiner Cousine Marie und der krebskranken Henriette Vogel, die zu seiner Suizidgefährtin werden sollte. Woywode und Giokas lasen abwechselnd - während Giokas kaum interpretierte, gestaltete Woywode seinen Vortrag weitaus lebendiger und intensiver und ließ die Texte durch Stimmfärbung und Sprechhaltung nicht unkommentiert. Ironie war auch angebracht, denn im Filter dieser Briefe schrumpft der große Erzähler, Dramatiker, Lyriker und Publizist zu einem pubertären und selbstmitleidigen Egozentriker. Ein lebensuntüchtiger Schwärmer mit pathetischer Todessehnsucht und deutlich artikulierten homophilen Neigungen. Unfähig, sich selbst zu ernähren; auf die jahrelange finanzielle Unterstützung seiner Schwester Ulrike angewiesen, mit deren Selbstständigkeit und Tatkraft er gleichzeitig hadert: Weil Kleists Frauenbild, wie es sich hier vermittelt, eben nicht "in mancherlei Hinsicht seiner Zeit voraus" war, wie es in der Einladung hieß.

"Wage Dich nicht über die Grenzen Deines Verstandes hinaus!", empfahl er etwa seiner Verlobten. Dass Wilhelmine sich weigerte, seinen Traum vom Leben als Landmann mitzuträumen, stellt indes, so scheint es hier, ihrem Verstand das beste Zeugnis aus. kek

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