Akute Personalnot im Strafvollzug Gewerkschaft: Sicherheit hinter Gittern in Gefahr

Saarbrücken/Zweibrücken · In der akuten Personalnot in saarländischen Gefängnissen sieht die Gewerkschaft ein wachsendes Sicherheitsrisiko. 

 Die Gewerkschaft kritisiert die Personalnot in Gefängnissen (hier die Saarbrücker Justizvollzugsanstalt).

Die Gewerkschaft kritisiert die Personalnot in Gefängnissen (hier die Saarbrücker Justizvollzugsanstalt).

Foto: BeckerBredel

Fast 770 Gefangene sitzen derzeit in den saarländischen Justizvollzugsanstalten (JVA) in Saarbrücken (604 Häftlinge) und Ottweiler (162 Jugendliche und Erwachsene) ein. Im Gefängnis in Zweibrücken verbüßen rund 320 Männer und 80 Frauen Freiheitsstrafen oder sitzen in Untersuchungshaft. Dort werden auch Frauen aus dem Saarland inhaftiert.

Die Situation hinter Gittern im Saarland und Rheinland-Pfalz hat sich in den letzten Jahren für das Aufsichts- und Sicherheitspersonal dramatisch verschlechtert. Darauf wiesen gestern in Zweibrücken mit Blick auf die jüngsten Ausbrüche aus einer Haftanstalt in Berlin die Vertreter der Gewerkschaft „Strafvollzug“ aus beiden Landesverbänden hin. Markus Wollscheid, Landesvorsitzender der Gewerkschaft im Saarland und sein Kollege Winfried Conrad (Rheinland-Pfalz) schlagen Alarm: Wegen des Personalabbaus hinter Gittern drohe eine Bankrotterklärung des Staates. Die weitere Reduzierung des Personals „gefährdet die Sicherheit im Strafvollzug“. Wollscheid stellt zudem fest: „Der Schutz der Allgemeinheit ist gefährdet.“

Die Grenze der Belastbarkeit für die Bediensteten im Vollzug sei längst erreicht, klagen die Gewerkschaftschefs aus beiden Bundesländern. Als Beleg dafür listen Wollscheid und sein Stellvertreter Andreas Brill, der in dem Saarbrücker Hochsicherheitsgefängnis arbeitet, den hohen Krankenstand von elf Prozent der insgesamt 465 Mitarbeitern, davon 383 Uniformierte im allgemeinen Vollzugsdienst. „Wir waren aber schon bei 21 Prozent Krankenstand“, erinnert sich Wollscheid. In der Personalplanung werde mit gerade sechs Prozent kalkuliert. Etwa 40 Beamte sind „vollzugsdienstunfähig“, wurden teilweise in andere Behörden abgeordnet, zählen aber noch zur JVA-Belegschaft. Derzeit seien zudem 28♦648 Überstunden aufgelaufen. In Rheinland-Pfalz wurden landesweit 150♦000 Überstunden gezählt, davon 18♦000 (2016) in Zweibrücken.

Als eine Ursache für die vielen Krankheitsfälle machen die Gewerkschaftsvertreter in erster Linie Arbeitsverdichtung als Folge des Personalabbaus und eine neue Qualität der Inhaftierten aus. Die Zahl der Gefangenen, die als „psychisch auffällig“ eingestuft werden, sei deutlich angestiegen. Und: Die Gewaltbereitschaft wächst. Die Auseinandersetzungen unter den Insassen und die Übergriffe auf JVA-Personal nehmen zu. So wurden nach offiziellen Angaben im Saarland in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 14 Beamte verletzt. Persönliche Beleidigungen von Aufsichtsbeamten durch Gefangene gehörten zum Alltag, berichtet Gewerkschaftsvize Brill, der selbst schon Opfer eines Übergriffes war. „So etwas macht schon zu schaffen.“

Vorläufiges Fazit der Gewerkschaftssprecher: Mehr Personal tut dringend Not, sonst könne der Strafvollzug seine Aufgabe, die Allgemeinheit vor rechtskräftig verurteilten und gefährlichen Straftätern zu schützen, nicht mehr zu gewährleisten. Im Saarland wurden trotz klarer Warnungen weitere Einsparungen im Haushaltsplan berücksichtigt. Wollscheid dazu: „Eine Katastrophe für den Strafvollzug.“ Die steigenden Problemen mit verhaltensauffälligen Gefangenen, Inhaftierten mit Migrationshintergrund und Sprachproblemen und eine erhöhte Sicherheits- und Drogenproblematik werde von der Politik offensichtlich ignoriert. Kurzfristig müssten für die Saar-Vollzugsanstalten mindestens 17 Neueinstellungen pro Jahr erfolgen. Hier kristallisiere sich ein weiteres Problem heraus, der Beruf im Vollzug werde für Neueinsteiger unattraktiver. 15 Jahre bis zur ersten Beförderung sei keine Perspektive.

Justizstaatssekretär Roland Theis (CDU) teilte auf Anfrage mit, auf die ansteigenden Gefangenenzahlen in Saarbrücken und den hohen Krankenstand habe das Ministerium reagiert. Abordnungen vollzugsdienstunfähiger Beamter in andere Ressorts seien beendet und dadurch neue Stellen geschaffen worden. De facto finde deshalb in diesem Jahr kein Personalabbau mehr statt. Zum 1. Mai sollen außerdem mindestens 15 neue Leute eingestellt werden.

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