Geschichtsstücke gesucht

Saarbrücken · Das Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass plant nächstes Jahr eine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg – nicht aus eigenen Beständen, sondern mit Schaustücken und Geschichten, die von den Menschen in der Region kommen sollen.

Ja, man darf Sikander Singh wohl einen gelassenen Menschen nennen. Der Leiter des Literaturarchivs Saar-Lor-Lux-Elsass weiß: Er will kommendes Jahr eine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg in seinem Archiv zeigen. Er hat ein Konzept dazu. Er hat auch einen Eröffnungstermin, September 2014 nämlich. Aber, er hat nicht ein einziges Ausstellungsstück. Normale Museumsmacher, die zum Teil Jahre im Voraus planen, würde das zumindest nervös machen. Nicht aber den Literaturwissenschaftler. Er ist sicher: Die passenden Objekte samt Geschichten kommen bald zu ihm.

Das Archiv, das zwar zur Saar-Uni gehört, aber in Dudweiler residiert, verfolgt einen ungewöhnlichen Ansatz, um sich der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, als die der Erste Weltkrieg gemeinhin gilt, zu nähern. Üblicherweise kümmern sich Singh und sein kleines Team um die Schriftsteller in der Region, um das, was Dichter und Denker hier bereits verfasst haben und noch schreiben werden. "Da gibt es auch Material in Hülle und Fülle zum Ersten Weltkrieg", sagt Singh. Doch um diese etablierte Literaturgeschichte und Geschichtsschreibung geht es Singh diesmal nicht. "Wir wollen über Alltagsgegenstände Menschen in der Region dazu bringen, wieder über die Zeit des Ersten Weltkriegs zu reden, sich zu erinnern, welche Rolle diese Zeit in ihrer Familie spielte", sagt der Archivleiter. "Und wir möchten, dass sie uns ihre Geschichten, die sie mit diesen Stücken verbinden, erzählen." So bekommt dann auch das alltägliche Erzählen in der Familie eine "andere" Bedeutung.

Dazu bittet Singh Menschen in der Region - also auch aus Frankreich, Luxemburg und Rheinland-Pfalz - um Stücke, die aus der Zeit des Ersten Weltkriegs oder davor stammen, die aber auf jeden Fall mit Erlebnissen aus den Kriegsjahren von 1914 bis 1918 verknüpft sind. Das kann - je nach Familienherkunft - die deutsche Pickelhaube, der Stahlhelm oder der französische Adrian-Helm des Urgroßvaters sein. Ebenso aber auch die Prothese eines Kriegsversehrten, der Feldpostbrief an die Liebste daheim, Souvenirs von der Front - und auch die Uhr oder das Kaffeeservice, die als Beute einst von der Front mit nach Hause gingen.

Singh geht es nicht um Militaria; er will seine Schau nicht vordringlich mit Bajonetten, Gewehren oder Orden bestücken. "Es sei denn, es verbindet sich damit eine besondere Geschichte", sagt er. Vielmehr ist er jedoch an Alltagsstücken und den Geschichten, die an ihnen hängen, interessiert. Diese Geschichten aus den Kriegsjahren, die Jedermann-Historie sozusagen, soll dann auch von Archivmitarbeiten protokolliert werden. Und die Saarbrücker Schriftstellerin Nelia Dorscheid wird diese Stoffsammlung in pointierte Ausstellungstexte verwandeln.

Wie das Ganze nun konkret abläuft? Wer etwas als Leihgabe zur Verfügung stellen will, also Ausstellungsstück plus Geschichte dazu hat, kann sich bis Mitte November 2013 direkt an Sikander Singh oder Nelia Dorscheid im Literaturarchiv wenden. Die beiden entscheiden dann, ob das Erinnerungsstück für die Schau in Frage kommt. Alles, was dem Archiv dann tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, betont der Archivleiter, "ist natürlich auch entsprechend versichert".

Wer potenzielle Schaustücke und dazugehörige Geschichten für das Literaturarchiv hat, wendet sich bitte direkt an das Archiv: Ansprechpartner sind Nelia Dorscheid und Sikander Singh; Tel. (06 81) 30 25 83 29; Mail: literaturarchiv@sulb.uni-Saarland.de

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