Geht es auch ohne Saarland? Lieber bei der Landesregierung sparen

Wadern. "Kann man das Saarland zukunftssicher machen und als eigenständiges Bundesland erhalten?" Diesen und weiteren Fragen des Moderators und SZ-Redakteurs Christian Beckinger stellten sich am Mittwoch im gut besuchten Öttinger Schlösschen in Wadern zwei ausgewiesene Kultur- und Wirtschaftsexperten

Wadern. "Kann man das Saarland zukunftssicher machen und als eigenständiges Bundesland erhalten?" Diesen und weiteren Fragen des Moderators und SZ-Redakteurs Christian Beckinger stellten sich am Mittwoch im gut besuchten Öttinger Schlösschen in Wadern zwei ausgewiesene Kultur- und Wirtschaftsexperten. Kurt Bohr, Ex-Saartoto-Chef, und Klaus Heller, ehemaliger Geschäftsführer der saarländischen Bauunternehmung Gross, warben vor Unternehmern, Kommunalpolitikern und Bürgern des Nordsaarlandes für den Erhalt des Saarlandes. "Wege aus der Haushaltsnotlage", hieß demnach auch das Motto der etwa zweistündigen Informations- und Diskussionsveranstaltung."Es sind viele Ideen, die uns umtreiben", bekundete Bohr von der "Zukunftsinitiative Saarland" in seinem Referat zur Frage der saarländischen Schuldenkrise. Man müsse unter den Regierenden des Landes endlich Schluss machen mit allen Spekulationen auf die Zukunft. "In Kenntnis der Zahlen dürfen wir nicht länger zuschauen", forderte Bohr. Würde das Saarland seine Eigenständigkeit verlieren, trage er Sorge, dass es dann nicht als Randfigur in einem großen Verbund wie etwa Hessen unterginge. Bohr: "Wir machten dann nur etwa zehn Prozent dieser Hessen-Bevölkerung aus." Zudem sei es mehr als fraglich, ob ein benachbartes Bundesland das Saarland überhaupt als integrationswürdig einstufe, meinte Bohr. Da stelle sich zwangsläufig die Frage: "Wie viele Schulden habt ihr mit in die Ehe gebracht?"

Also gelte es, so der Experte, schnellstmöglich anzupacken und damit die Saarlandpleite abzuwehren. "Wenn wir einig sind, können wir die Zukunft selbst steuern", betonte Bohr. Fest stehe allerding, dass die Schulden nicht aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen seien. Bei einem Konsolidierungsbedarf von rund 1,3 Milliarden Euro und einem Sparansatz von 100 Millionen jährlich sei Kreativität gefragt wie noch nie. Auf den Länderfinanzausgleich dürfe man nicht mehr hoffen, meinte Bohr. "Finanzstarke Länder wollen nicht mehr ohne Ende den anderen das Geld reinschieben." Was in jedem Privathaushalt richtig sei, gelte auch für die Finanzen des Landes: "Mehr sparen, als die Schuldenbremse auferlegt", so Bohr. Steuererhöhungen seien nicht durchsetzbar. Am Einnahmeproblem läge es trotzdem nicht, erklärte der Referent.

Es seien außerordentliche Belastungen, die das Saarland zu schultern habe. "Wir liegen alleine bei den Pensionslasten rund 30 Prozent über dem Durchschnitt der Flächenländer", wusste Bohr. Dazu sei die demographische Entwicklung nirgendwo gravierender als im Saarland. Seine Forderung: "Unser Ziel muss es sein, auf den Durchschnitt der deutschen Flächenländer zu kommen." Das Saarland brauche Altlastenfonds, müsse eventuell bei den Serviceleistungen für die Bürger sparen. Sein Beispiel: "Nicht jede Gemeinde braucht ein Einwohnermeldeamt."

Ökonomieexperte Heller hingegen befasste sich in seinem Vortrag eher mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Saarlandes. Es müsse mehr investiert werden, damit das Land über eine intakte Infrastruktur verfüge. Dabei plädierte Heller für eine unbedingte Aufwertung der Landeshauptstadt: "Für das Saarland ist es wichtig, wenn Saarbrücken attraktive Angebote hat." Heller nannte weitere Knackpunkte: Verbesserung der Ansiedlungspolitik, Ausbau der Straßenanbindungen in den Randgebieten, schnelle Bahnverbindungen zu den benachbarten Bundesländern und Erhalt der Energiestandorte.

Drastische Reduktion forderte Heller bei der Ausstattung der Saarländischen Landesregierung. "Hier kommt auf etwa 22 000 Einwohner ein Abgeordneter. Warum braucht das Saarland in Relation mehr Abgeordnete als andere Bundesländer?", fragte der Wirtschaftsexperte.Wadern. Scheinbar sind sich die Nordsaarländer in der Frage des Erhalts ihres Bundeslandes nicht ganz sicher. So zumindest das Resümee der Diskussionsrunde am Mittwoch im Öttinger Schlösschen. Sensible und im Land kontrovers diskutierte Themen hatte Moderator Christian Beckinger, Redakteur der Saarbrücker Zeitung, zum Meinungsaustausch angestoßen: "Können wir auf die Landkreise verzichten? Sollte man die Landesregierung mit Freizeitpolitikern besetzen? Was können wir uns noch leisten?"

"Wir können in Wadern und Umgebung nicht das Saarland retten", so die Meinung eines aufgebrachten Zuhörers. Im Nordsaarland sei nicht mehr viel zu sparen, und in Saarbrücken brauche es keine 50 Abgeordnete, meinte ein Waderner Stadtratsmitglied. "Wir sind hier im Niemandsland", lautete eine der zahlreichen Aussagen zum Thema. "Geht es den Menschen im rheinland-pfälzischen Saarburg oder Hermeskeil schlechter als uns?" wollte ein Unternehmer wissen. Oder: "Muss nicht eine Reihe von Dingen wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden?" Während sich mancher fragte, wozu Kreisverwaltungen noch taugten, gab es auch Gegenteiliges: "Ohne die Arbeit der Landkreise wären unsere Kommunen doch hoffnungslos überfordert."

Mehr Zusammenarbeit

Zudem, so hieß es aus den Reihen der Besucher, rette eine Abschaffung der Landkreise das Saarland auch nicht mehr. Bürgermeister Fredi Dewald forderte energisch den Erhalt servicerelevanter Einrichtungen, plädierte aber auch für eine bessere innerkommunale Zusammenarbeit. Dewald: "Ich warne davor, die für die Bürger wichtigen Institutionen abzugeben."

Podiumsmitglied und Initiator Kurt Bohr erläuterte: "Wir dürfen nicht nur sparen, sondern das Land muss auch neue Entwicklungsideen entfalten." Ebenfalls sollte das Saarland eine neue Streitkultur erlernen. In der Politik müsse man offen miteinander reden, dann sei ein Weiterkommen wahrscheinlich. Für die "aufgeblasene" Regierungsriege hatte Bohr wenig übrig: "Wenn die Stäbe in den Ministerien halbiert würden, keiner im Land würde es merken." Die Funktion der "Zukunftsinitiative Saarland" erklärte Bohr so: "Wir sind dazu da, den Dialog zu den Bürgern anzuschieben." Das Publikum bewertete die Arbeit der Initiative sehr unterschiedlich. Von "schulmeisterhaft" über "wenig dienlich" bis "hervorragende Arbeit" lauteten die Urteile. Schließlich noch ein Aspekt, auf den insgeheim alle gewartet hatten, nämlich die eventuelle Anbindung an Luxemburg. Unbeantwortet blieb bislang die berechtigte Frage des Moderators: "Würden die uns nehmen?" "Wie viele Schulden habt ihr mit in die Ehe gebracht?"

Kurt Bohr zum Thema Anschluss des Saarlandes an ein anderes Bundesland

"Für das Saarland ist es wichtig, wenn Saarbrücken attraktive Angebote hat."

Klaus Heller

Hintergrund

Dem Saarland droht die Pleite und damit die Auflösung. Bei Verlust der Eigenständigkeit bestünde Gefahr, dass das Land als Randregion eines Südweststaates in den Bereichen Kultur, Bildung und Forschung tendenziell benachteiligt wäre. Harte und unpopuläre Sparmaßnahmen fordert daher die "Zukunftsinitiative Saar". Ziel der Initiative ist der Erhalt eines erfolgreichen und eigenständigen Saarlandes.

In einer Zeit, in der die Weichen neu gestellt werden müssen, wirbt die Initiative bei Politikern aller Verwaltungsebenen und bei gesellschaftlichen Gruppen für eine langfristig ausgerichtete Politik. Ihre Forderung: "Die Sicherung der Eigenständigkeit muss ein vorrangiges Ziel bleiben." owa

zukunftsinitiative

-saar.de

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