"Geht aufeinander los - ohne Ton"

Saarbrücken/Völklingen. Zehn Minuten lang still sitzen. Zehn Minuten lang die Augen schließen und nicht sprechen. Zehn Minuten lang konfrontiert sein mit sich selbst. Wenn man Sinan und Salvatore mit den anderen Jungs so herumalbern sieht, hält man das kaum für möglich. Und doch funktioniert die Übung inzwischen so gut, dass Choreograf Jürgen Müller hochzufrieden ist

Saarbrücken/Völklingen. Zehn Minuten lang still sitzen. Zehn Minuten lang die Augen schließen und nicht sprechen. Zehn Minuten lang konfrontiert sein mit sich selbst. Wenn man Sinan und Salvatore mit den anderen Jungs so herumalbern sieht, hält man das kaum für möglich. Und doch funktioniert die Übung inzwischen so gut, dass Choreograf Jürgen Müller hochzufrieden ist. "Heute ist es Spitze gewesen", sagt Müller, der den Jugendlichen nach eineinhalb Stunden Probe eine kurze Pause und sich selbst eine Zigarette gönnt. Am Freitag, 19. Juni, hat die "Musikmaschine" im Saarländischen Staatstheater Premiere. Entsprechend intensiv wird auf der Probebühne des Staatstheaters am Eschberger Weg inzwischen an einzelnen Szenen gefeilt. Nach der Pause geht es mit der Kriegsszene weiter. "Geht aufeinander los, aber nur mit Gesten, ohne Ton", ruft Regieassistent Sebastian Welker den Jugendlichen zu, die einander als feindliche Gruppen gegenüberstehen. "Ja, so ist es gut, jawoll, weiter so!", spornt Welker die Schauspielamateure an. Auch Calvin, Salvatore, Sinan, Silvana und Chantal machen wilde Gesten, ballen drohend die Faust, beleidigen mit wegwerfenden Handbewegungen und bewegen stumm brüllend die Lippen. Seit Ende März fahren die Schüler der Hermann-Neuberger-Schule von Völklingen aus regelmäßig zur Probe nach Saarbrücken. Geprobt wird zum Teil mehrmals pro Woche, vier Stunden und länger. Und das, was hier geschieht, ist ernsthafte künstlerische Arbeit. "Für mich und den Komponisten Ari Benjamin Meyers ist ,Musikmaschine' in erster Linie ein künstlerisches Projekt", betont der Choreograf Jürgen Müller, der bei vielen Proben selbst dabei ist. Entsprechend hoch sind seine Ansprüche an die Jugendlichen. "Theater bedeutet spielen, aber auch Disziplin", sagt Müller. Dem ist nicht jeder gewachsen. "Mit 54 Jugendlichen haben wir angefangen, jetzt sind es noch 38", berichtet der international renommierte Choreograf, der unter anderem durch seine Arbeit für das katalanische Theaterkollektiv La fura dels baus bekannt wurde. Auch die Gruppe von der Erweiterten Realschule Hermann Neuberger ist kleiner geworden: Birkan schied aus gesundheitlichen Gründen aus, Daniela hatte keine Lust mehr. Auch für die anderen ist es nicht immer leicht, bei der Stange zu bleiben, weiß Lehrerin Ruth Rospert, die die Schüler an diesem Tag zu den Proben begleitet. "Manche sind nach den langen Proben sehr müde." Doch die Anstrengung lohne sich: "Schüler, die in der Schule eine riesige Klappe haben, sind hier still und hören zu. Andere, die eher zurückhaltend sind, haben sich sehr gut integriert und kommen in der Gruppe klar." Das Ausbrechen aus der Rolle, die man im Alltag spielt, ist für Jürgen Müller ein ganz wichtiger Aspekt der Theaterarbeit: "Die Jugendlichen kommen aus einem Klassenverband, in dem sie einen bestimmten Platz haben, eine bestimmte Rolle spielen. Der Klassenclown muss immer der Klassenclown sein. Menschen neigen dazu, sich auf eine Rolle einschränken zu lassen, obwohl das ihrem Inneren gar nicht entspricht. Wir geben den Jugendlichen hier die Möglichkeit, aus dieser Rolle auszubrechen und etwas anderes zu sein."

Auf einen BlickRund 40 Schüler aus sechs verschiedenen saarländischen Schulen sowie junge Musiker des Landes-Jugend-Symphonieorchesters und der Landes-Schüler-Bigband "Jazz Train" haben zusammen mit Mitgliedern des Saarländischen Staatsorchesters das Musiktheaterwerk "Musikmaschine" erarbeitet. Uraufführung ist am Freitag, 19. Juni, 19.30 Uhr, im Staatstheater. Weitere Termine: 20. Juni, 19.30 Uhr; 21. Juni, 18 Uhr und 23. Juni, 11 Uhr. redKarten: Tel. (06 81) 30 92-486.

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