Feuerkatastrophe in Saarbrücken Frau nach tödlichem Brand vor Gericht

Saarbrücken · Brandstiftung mit Todesfolge: Wegen dieses Vorwurfs muss sich ab Mittwoch, 30. Mai, eine 38 Jahre alte Frau vor dem Saarbrücker Landgericht verantworten.

 Über Drehleitern retteten Feuerwehrleute Bewohner eines sechsgeschossigen Mietshauses in der Saarbrücker Innenstadt am 3. Dezember 2017. Jetzt beginnt der Prozess gegen eine Frau (38), die das Feuer gelegt haben soll, bei dem vier Männer ums Leben kamen.

Über Drehleitern retteten Feuerwehrleute Bewohner eines sechsgeschossigen Mietshauses in der Saarbrücker Innenstadt am 3. Dezember 2017. Jetzt beginnt der Prozess gegen eine Frau (38), die das Feuer gelegt haben soll, bei dem vier Männer ums Leben kamen.

Foto: Peter Stefan Herbst

Noch am selben Tag kehrte die Frau spät abends zur Unglücksstelle zurück und offenbarte sich den Ermittlern: Sie habe ein Kissen angezündet und damit die Feuersbrunst ausgelöst. Davon ist nach umfangreichen Ermittlungen die Staatsanwaltschaft benefalls überzeugt. Das Feuer griff rasch um sich. Die Mieterin, die kurz nach der mittäglichen Tat sturzartig das Haus verlassen hatte, sitzt seit ihrer Festnahme im Zweibrücker Frauenknast in Untersuchungshaft. Jetzt wird ihr der Prozess gemacht.

Tote und Verletzte

Ab Mittwoch, 30. Mai, muss sie sich vor dem Saarbrücker Landgericht verantworten. Der Vorwurf: Brandstiftung mit Todesfolge. Vier Menschen waren am 3. Dezember vergangenen Jahres ums Leben gekommen, als es in dem Mehrparteienhaus in der Saarbrücker Saaruferstraße brannte: Vier Männer (29 – 68) erstickten. Zwölf weitere Bewohner kamen mit teils schweren Blessuren davon. Auch vier Feuerwehrleute wurden während des Großeinsatzes verletzt. Für die jetzt beginnende Gerichtsverhandlung sind sieben Tage vorgesehen, an dessen Ende die Richter am Schwurgericht ein Urteil fällen sollen.

Die Tragödie am Adventssonntag

Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft hält es für erwiesen, dass die 38-Jährige für die Tragödie verantwortlich ist. Sie soll an jenem Adventssonntag zur Mittagszeit in ihrem Ein-Zimmer-Appartement in der ersten Etage Feuer gelegt haben. Der Rauch zog durch die geöffnete Wohnungstür ins Treppenhaus. Sie flüchtete unmittelbar nach der Tat vor den Flammen.

Schaden geht in die Hunderttausende

Durch den dichten Qualm, der sich in Windeseile ausbreitete, war anderen Bewohnern der Fluchtweg abgeschnitten. 24 Menschen hielten sich zur Zeit des Unglücks in dem sechsgeschossigen Gebäude mit 42 Wohnungen auf. Vier Menschen starben, eines der Opfer entdeckten die Helfer tot auf der Treppe. Es war während der Flucht umgekommen. Ein Mann sprang in Panik aus der dritten Etage aus dem Fenster und brach sich dabei mehrere Knochen. Knapp 180 Retter von Feuerwehr, Malteser Hilfsdienst, Polizisten, Ordnungs- und Rettungskräfte waren in der Innenstadt stundenlang vor Ort. Der Schaden: rund 500 000 Euro.

Sagt Angeklagte vor Gericht aus?

Nach Angaben des Anklagevertreters soll die Mutter dreier Kinder zuvor Drogen genommen und Alkohol getrunken haben. Die 38-Jährige ist vorbestraft, saß auch schon hinter Gitter. Der Prozess im Sitzungssaal 38 des Saarbrücker Landgerichts beginnt am Tag vor Fronleichnam um 9 Uhr. Bislang sind sieben Verhandlungstage angesetzt. Wie Gerichtssprecherin Anette Caspar ankündigt, soll am ersten Prozesstag nur die Anklage verlesen werden. Ob sich die mutmaßliche Brandstifterin zu den Vorwürfen äußert, ist noch nicht klar. Ihr Verteidiger, der Saarbrücker Rechtsanwalt Christian Kessler, sagte auf Anfrage: „Es ist beabsichtigt, dass meine Mandantin sich einlässt. Am ersten Tag allerdings nicht.“

Auch Nebenkläger zugelassen

Nicht nur der Staatsanwalt erhebt schwere Vorwürfe gegen die Beschuldigte. Sechs Nebenkläger, darunter betroffene Mieter und Hinterbliebene der Brandopfer, treten während der Verhandlung auf. Allesamt Frauen, wie Caspar sagt.

Zahlreiche Gutachter und Zeugen

Zum Prozessauftakt sind noch keine Zeugen geladen, heißt es weiter. Die ersten elf sollen am zweiten Tag – Dienstag, 5. Juni – kommen. Nach Kesslers Auskunft werden dann auch fünf Gutachter erwartet. Am Mittwoch, 13. Juni, folgen nach vorläufigem Ablaufplan sieben weitere Zeugen plus fünf Gutachter erwartet. Die Richter wollen die Experten hören, die Auskunft zur Brandursache sowie zur Psyche der Angeklagten geben. Rechtsmediziner sind ebenso geladen, die Aufschluss zur Todesursache geben sollen. Die weiteren Termine: 22. Juni sowie 12., 17. und 19. Juli, jeweils 9 Uhr, mit weiteren Gutachtern.

Staatsanwalt: Gefahr für die Allgemeinheit

Die Staatsanwaltschaft hatte im Vorfeld bereits darüber informiert, „dass die Angeschuldigte einen Hang haben könnte, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen (...) und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist“. Deshalb zog der Anklagevertreter bereits vor dem Prozessauftakt in Betracht, die Frau in einer Entziehungsanstalt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.

Weitere Verfahren wegen missachteten Brandschutzes

Unabhängig davon laufen weiterhin Ermittlungen, wer für den Verstoß gegen Brandschutzvorschriften verantwortlich ist. Nach Angaben eines Sachverständigen fehlte ein Rauchabzug im Treppenhaus. Abschlusstüren im Flur, die verhindert hätten, dass sich der Qualm ausbreitet, waren defekt oder blockiert. Deshalb laufen gesonderte Verfahren gegen den Hauseigentümer, Mitarbeiter der Bauaufsichtsbehörden sowie den früheren Bauherrn. Der Architekt und der Beamte, der damals die Baugenehmigung erteilte, sind bereits gestorben, wie Staatsanwaltssprecher Christoph Rebmann mitteilt. Der Verdacht: fahrlässige Tötung.

Prozessauftakt im Saarbrücker Landgericht, Saal 38, am Mittwoch, 30. Mai, 9 Uhr.

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