EU Fraktionen warnen vor „Dexit“-Plänen der AfD

Saarbrücken · Der Landtag will morgen ein Zeichen für mehr Zusammenarbeit in der Grenzregion setzen. Die Einigkeit bei diesem Thema wird überschattet vom Streit über die EU.

 Das Europäische Parlament – hier der Sitz in Straßburg – wird seit 1979 direkt gewählt. Nach Ansicht der AfD sollte es aufgelöst werden. Die anderen Fraktionen im Landtag sieht dagegen.

Das Europäische Parlament – hier der Sitz in Straßburg – wird seit 1979 direkt gewählt. Nach Ansicht der AfD sollte es aufgelöst werden. Die anderen Fraktionen im Landtag sieht dagegen.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die Forderung der AfD im Bund, das Europaparlament abzuschaffen und sich für einen Austritt Deutschlands aus der EU („Dexit“) einzusetzen, falls die Europäische Union nicht radikal reformiert wird, ist bei CDU, SPD und Linken im Saarland auf scharfe Kritik gestoßen. Entsprechende Anträge hatte die AfD am Wochenende auf ihrem Europaparteitag im sächsischen Riesa verabschiedet.

Alexander Funk, CDU-Fraktionschef im saarländischen Landtag, sprach von einer „Zäsur in Deutschland“. Auch wenn die AfD ihr Vorhaben verklausuliert formuliert habe, sei es doch das erste Mal, dass eine Fraktion, die im Bundestag vertreten ist, die EU in Frage stelle. Er warnte davor, solche Debatten zu führen. So habe es auch in Großbritannien begonnen, nun stehe das Land vor dem Brexit. „Da sage ich ganz klar: Wehret den Anfängen.“ Die EU sei mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft, „sie ist auch eine Wertegemeinschaft und ein Friedensprojekt“.

Sicher gebe es Reformbedarf, doch man müsse die positiven Errungenschaften sehen, etwa beim Umweltschutz. „Die Gewässerqualität in Spanien zum Beispiel ist heute deutlich besser als vor 30 Jahren“, sagte Funk. Angesichts dessen, dass „immer mehr Länder nationalistische Tendenzen zeigen und die EU in Frage stellen“, begrüße er es außerordentlich, dass morgen Patrick Weiten, Präsident des Rates des französischen Departements Moselle, eine Rede im Landtag halten wird.

Es ist das erste Mal, dass ein französischer Politiker im saarländischen Landtag spricht. Anschließend soll es eine Debatte zum Stand der deutsch-französischen Beziehungen und zur Zusammenarbeit in der Grenzregion geben – ein Antrag, den alle Fraktionen mittragen, auch die AfD. Eine Woche später wollen die Regierungen Deutschlands und Frankreichs einen neuen „Elysée-Vertrag“ schließen.

Auch SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn sieht in Weitens Rede ein „ausgesprochen ermutigendes Zeichen für Europa“ in Zeiten, in denen Europa, auch von der Politik, in Misskredit gebracht werde. Er habe es selbst als Kind noch erlebt, wie trennend eine Grenze sein könne. „Ich weiß noch, was ein Schlagbaum und eine Grenzkontrolle ist und wie belastend es für ein Kind ist, wenn ein Zöllner ein ganzes Auto auseinandernimmt.“ Heute stelle die Grenze nichts Trennendes mehr dar, sondern sei „ein Punkt, wo sich zwei Kulturen, zwei Nationen völkerverbindend begegnen“. Die Zusammenarbeit mit Frankreich sei nicht immer einfach, räumte Pauluhn ein, So habe es beispielsweise lange gedauert, bis der saarländische Rettungshubschrauber über die Grenze fliegen durfte. „Das zeigt, dass wir noch nicht am Ende eines gemeinsamen Weges sind, aber wir sind schon sehr weit.“

Auch Jochen Flackus, parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, bekannte sich klar zur EU: „Zu Europa gibt es keine Alternative.“ Die Beschlüsse der AfD bezeichnete er als „nicht zielführend“. Aus ökonomischer Sicht wäre ein Dexit „albern“, eine Auflösung des Europaparlaments „völlig falsch und daneben“, befand Flackus. Aber auch er sieht Nachholbedarf innerhalb der EU. Bisher liege der Fokus sehr stark auf ökonomischen Kriterien. In dem neuen Elysée-Vertrag müssten soziale und kulturelle Faktoren stärker berücksichtigt werden, meinte Flackus.

Lutz Hecker, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion, verteidigte die Beschlüsse seiner Bundespartei. „Natürlich vertritt die AfD in europapolitischen Themen andere Positionen als andere Parteien. Das ist ein spezifisches Merkmal der AfD.“ Ziel der Partei sei es, die EU in eine Organisation zurückzuführen, wie sie zu Beginn mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft existierte. „Wir sind strikt gegen ein Konstrukt ,Vereinigte Staaten von Europa’, wie es insbesondere von der SPD immer mal wieder vorgeschlagen wird.“ Dass auch die AfD-Fraktion sich dafür ausgesprochen hat, Patrick Weiten morgen im Landtag sprechen zu lassen und sie sogar mit CDU, SPD und Linken einen gemeinsamen Antrag eingebracht hat, sieht Hecker nicht als Widerspruch zur europaskeptischen Position seiner Partei. „Wir stehen eindeutig hinter der deutsch-französischen Zusammenarbeit.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort