„Stiftung Gemeinde ohne Mauern“ in Wehingen Fiskus winkt Finanzspritze aus Insolvenzkasse

Saarbrücken/Mettlach · Missbrauchsvorwürfe brachten die „Stiftung Gemeinde ohne Mauern“ in finanzielle Schieflage. Jetzt darf der Staat auf einen Geldsegen hoffen.

 Blick auf die Gartenseite des Gästehauses der „Stiftung Gemeinde ohne Mauern“ im Mettlacher Ortsteil  Wehingen.

Blick auf die Gartenseite des Gästehauses der „Stiftung Gemeinde ohne Mauern“ im Mettlacher Ortsteil  Wehingen.

Foto: Michael Jungmann

Ein Sex-Skandal in den eigenen Reihen war angeblich der Auslöser für die finanzielle Schieflage der sektenähnlichen Glaubensgruppierung „Stiftung Gemeinde ohne Mauern“. Nachdem im Herbst letzten Jahres Vorwürfe im Umfeld der Glaubensgemeinschaft im Mettlacher Ortsteil Wehingen gegen den früheren Gemeindeleiter und Pastor G. laut wurden, blieben die regelmäßigen Spenden aus. Diese Zuwendungen der Gemeindemitglieder machten monatlich rund 30 000 Euro aus, womit die laufenden Ausgaben finanziert werden konnten. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet. Deren Ermittlungen dauern derzeit nach Angaben von Pressesprecher Mario Krah noch an. Sechs betroffene Frauen wurden bislang vernommen. Zwei von ihnen sollen im möglichen Tatzeitraum minderjährig gewesen sein. G. hatte offenbar nach Druck aus den eigenen Reihen Selbstanzeige erstattet.

Neben dem Staatsanwalt trat auch Insolvenzverwalter Marc Herbert auf den Plan. Der Saarbrücker Rechtsanwalt hat seit November bei der Stiftung das Sagen. Seine laufende Insolvenzkasse ist derzeit so gut wie leer. Er muss möglicherweise zur Abwicklung des Verfahrens ein Darlehen aufnehmen, was aber keineswegs bedeutet, dass die Stiftung ohne Vermögen da steht. Herbert geht davon aus, letztlich alle anerkannten Forderungen der Gläubiger zu einhundert Prozent auszahlen zu können. Dann bleibe voraussichtlich sogar noch ein Betrag in der Größenordnung von etwa einer halben Million Euro, über den sich – so die derzeitige Einschätzung des Verwalters – der saarländische Steuerzahler, vertreten durch den Fiskus, freuen darf.

Voraussetzung dafür ist der Verkauf des Immobilienbesitzes der „Stiftung Gemeinde ohne Mauern“. In der Wehinger Südallee steht das Gästehaus „His Place“, ein Hotel- und Tagungszentrum mit Wellnessbereich, Außenpool, Veranstaltungssaal und Restaurant. Der Trakt besteht aus einem älteren Gebäude, der ehemaligen Schule, und einem viergeschossigen Hotel-Anbau (14 Zimmer, ca. 40 Betten). Zu dem Komplex gehört auch ein Zweifamilienhaus.

Herbert hat eine Zweibrücker Auktionskanzlei mit der Verwertung des Objekts beauftragt. Aktuell sind zwei Bieter im Rennen. Ein Interessent aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hat nach Angaben des Insolvenzverwalters 1,15 Millionen Euro geboten. Ein Hotelinhaber aus dem Nordsaarland 1,05 Millionen Euro. Herbert wollte kürzlich von der Gläubigerversammlung die Zustimmung, die Immobilie für einen Betrag von mindestens 900 000 Euro verkaufen zu können. Fehlanzeige. Die jüngste Versammlung wurde vertagt, weil sich die Gläubiger nicht einigen konnten. Der Verwalter will jetzt von den beiden Bietern Bestätigungen einer Bank oder Bargeld als Sicherheit sehen.

Zu den insgesamt 41 Gläubigern der Stiftung sollen zwei finanzkräftige Mitglieder der Gemeinde zählen, angeblich auch der Gründer der Stiftung. Dessen Forderungen in Höhe von angeblich 300 000 Euro im Insolvenzverfahren sind bislang allerdings noch nicht bestätigt. Den dicksten Brocken an Forderungen hat wohl mit etwa 350 000 Euro eine Mettlacher Familie, die einst der Stiftung die Immobilie teilfinanziert hat, angemeldet. Bei den übrigen Gläubigern geht es durchweg um kleinere Beträge.

Fraglich ist, ob es Insolvenzverwalter Herbert gelingt, die beiden Großgläubiger der Stiftung zu einigen. In dem Fall scheint zudem weitere Brisanz: Ein Berg von 180 Quittungen für angebliche Spenden aus der Vergangenheit wartet noch auf Unterschriften. Verwalter Herbert lehnt dies aber schlicht ab. Er hat Zweifel, ob die Stiftung überhaupt noch gemeinnützig ist.

Während Herbert auf dem Standpunkt steht, die Summe, die im Insolvenzverfahren nach Erledigung aller Ansprüche übrig bleibt, falle an den Fiskus, hat der entmachtete Stiftungsvorstand andere Pläne. „Es gibt Bestrebungen des Vorstandes, die Stiftung in einer anderen Form mit dem Restkapital an einem neuen Standort weiter zu führen“, sagt Vorstandsmitglied Michael Döbrich. Er denkt an eine reine Förderinstitution mit einem Vorstand und einem Bankkonto, von dem einmal im Jahr Ausschüttungen erfolgen.

  Torschild des gut ausgestatteten Gästehauses in Wehingen.

Torschild des gut ausgestatteten Gästehauses in Wehingen.

Foto: Michael Jungmann

Herbert verweist auf die Stiftungssatzung. Darin soll festgehalten sein, dass im Fall der Auflösung das Vermögen einer gemeinnützigen Verwendung zugeführt werden muss. Präzisere Vorgaben gibt es angeblich nicht. Derweil sieht Paragraf 88 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vor, dass beim Erlöschen einer Stiftung das Vermögen an den Fiskus fällt. Und der Staat ist sicher gemeinnützig.

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