Dokumentarfilm Filmdreh provoziert Bekenntnis zu Europa

Saarbrücken · Für Dreharbeiten zum Film „Das Statut“ über ein eigenständiges Saarland baten die Macher Statisten zu einer Demonstration nach Berus. Dabei lebte die Europa-Idee auf.

 Das Autorenpaar Michael und Caroline Koob stehen gemeinsam mit Manuel Andrack (rechts) an einem Europaschild.

Das Autorenpaar Michael und Caroline Koob stehen gemeinsam mit Manuel Andrack (rechts) an einem Europaschild.

Foto: Astrid Karger

Was wäre, wenn… sich die Saarländer 1955 für die „Europäisierung“ des Saarlandes entschieden hätten? Also für jenen Sonderstatus, der das Saarland weder Frankreich noch Deutschland zugewiesen, sondern bei wirtschaftlicher Anbindung an Frankreich einem Kommissar der Westeuropäischen Union unterstellt hätte. Das sogenannte „Saarstatut“ war der Versuch, Nachkriegsfragen zu regeln, eine Lösung für den Zankapfel Saarland zu finden, mit der Frankreich, Deutschland und die Siegermächte leben konnten.

Der französische Außenminister Robert Schuman wollte die Montanunion, den Vorläufer der Europäischen Union, an der Saar ansiedeln.  Ministerpräsident Johannes Hoffmann („Joho“) kämpfte für ein „unabhängiges“, direkt in Europa eingebundenes Saarland. Die Saarländer stimmten jedoch 1955 in einer Volksabstimmung dagegen, das Saarland wurde 1957 der Bundesrepublik angegliedert.

Die  „Was wäre wenn…?“-Gedankenspiele, die dem Film „Das Statut“ von Caroline und Michael Koob zugrunde liegen, gehen noch einen Schritt weiter: Das Saarland ist eigenständiger Teil von Europa und sieht sich aktuell vom „Saar­exit“-bedroht, Anti-Europäer befürworten den Austritt aus der EU. Dagegen heißt es aufzustehen, zu demonstrieren, sich einig zu zeigen. Nicht wenige aus dem Umland sind dem Aufruf gefolgt und nach Berus gekommen, um in einer skurrilen Mischung aus Bekenntnis zu Europa, Neugierde und Sonntagsspaziergang als Statisten die Dreharbeiten zu unterstützen. Staatstheater-Schauspieler Ali Berber und der vielen Menschen noch aus der „Harald-Schmidt-Show“ bekannte Autor Manuel Andrack geben die Agitatoren. Alle anderen, die mitlaufen, sind die Demonstranten.

Für die Dokufiktion „Das Statut“, die das junge Koob-Filmteam am Samstag drehte, gibt es weder Drehbuch noch große Regieanweisungen. Der halb inszenierte, halb echte „Marsch für Europa“ folgt bei bestem Spätsommerwetter einem Teil der „Beruser Tafeltour“ und somit der saarländisch-französischen Grenze. Treffpunkt und Ausgabe der Pro-Europa-Transparente ist am Europadenkmal in Berus. Nicht Teil der Inszenierung, sondern ganz echt ist das Filmteam vom ZDF, das die ganze Aktion in der Sendung „heute in Europa“ zeigen will und fleißig die Teilnehmer interviewt.

Bei den „Demonstranten“ gibt es die, die sagen: „Bei schlechtem Wetter wären wir nicht gekommen“, sich aber auch noch sehr genau an die Zollkontrollen an eben jenem Weg erinnern und froh sind, dass der kaum merklich passierte Schlagbaum geöffnet und in offener Stellung fixiert ist. Und da sind die, die sagen, sie wollten mal Manuel Andrack erleben, aber auch noch genau im Ohr haben, wie Johannes Hoffmann von den Statuts-Gegnern niedergeschrien wurde, mit welcher Vehemenz und Unsachlichkeit gestritten und manipuliert wurde, tiefe Risse sogar durch Familien gingen. Menschen, die an der Grenze groß geworden sind wie Karl Heinz Luxemburger oder Albert Hilt, die 1939 geboren, nicht mit abstimmen konnten, aber alles, nicht zuletzt den Schrecken der Eltern – „Nie wieder Krieg!“ – mitbekamen, und für die die Errungenschaften selbstverständlich sind.

Manuel Andrack bezieht Stellung, verteidigt die Arbeit der europäischen Institutionen. Das ist nicht gespielt. „Grafikerin, Saarbrückerin, Saarländerin, Europäerin“ sei sie, sagt Hanne Langhammer, „in dieser Reihenfolge“. Sie hoffe, die Diskussion um ein eigenständiges, europäisches Saarland könne noch mal in Gang kommen. Im lothringischen Berviller treffen die „Demonstranten“ auf eine Gruppe Blutspender, die umgehend ein kraftvolles „Vive l’Europe!“ beisteuert.

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