Experte: "Palliativmedizin wird immer wichtiger"

Herr Gottschling, seit einiger Zeit gehört die Palliativmedizin verpflichtend zu den Lehrinhalten für Medizinstudenten. Warum?Dr. Sven Gottschling: Die Palliativmedizin war schon immer eine der Hauptsäulen der Medizin und sie wird immer wichtiger. Wegen des demografischen Wandels überaltert die Bevölkerung zunehmend. Auch die Zahl der Krebserkrankungen steigt

Herr Gottschling, seit einiger Zeit gehört die Palliativmedizin verpflichtend zu den Lehrinhalten für Medizinstudenten. Warum?Dr. Sven Gottschling:

Die Palliativmedizin war schon immer eine der Hauptsäulen der Medizin und sie wird immer wichtiger. Wegen des demografischen Wandels überaltert die Bevölkerung zunehmend. Auch die Zahl der Krebserkrankungen steigt. Wir haben heute nicht mehr die typische Großfamilie, in der die Angehörigen erkrankte Familienmitglieder pflegen. Deshalb ist eine qualifizierte pflegerische und medizinische Hilfe gerade für unheilbar Kranke unabdingbar.

Das Symposium beschäftigt sich auch mit den Grenzen der Palliativversorgung. Wo liegen diese?

Gottschling: Primär in den Finanzen. Die Palliativmedizin ist extrem personalintensiv, es sind viele Gespräche und viel Zeit notwendig. Das ist natürlich teuer. Diese Kosten werden durch unser Gesundheitssystem bislang leider nicht ausreichend abgedeckt.

Es soll auch ein kritischer Blick auf die Versorgungsrealität geworfen werden. Was ist an der derzeitigen Situation zu bemängeln?

Gottschling: Das Problem ist, dass Therapien im Krankenhaus oft einzig auf Heilung und Lebensverlängerung ausgerichtet sind. Auf den Erhalt einer möglichst guten Lebensqualität bei Schwerkranken wird zu wenig geachtet. Noch gibt es in viel zu wenigen Krankenhäusern eigene Palliativstationen.

Palliativmedizin ist nicht mit Sterbehilfe gleichzusetzen. Wie grenzen Sie sich davon ab?

Gottschling: Man muss zwischen aktiver Sterbehilfe und Sterben lassen unterscheiden. Erstere bedeutet, dass man dem Patienten Medikamente verabreicht, die seinen Tod beschleunigen. Das lehnen wir rigoros ab. Sterben lassen heißt, dass man den Patienten im Einklang mit seinem Willen sterben lässt, ihn zum Beispiel bei Herzstillstand nicht reanimiert. Eine intensive Begleitung ist trotzdem essenziell, um ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Palliativmedizin ist folglich keine Sterbehilfe, sondern eine hochqualifizierte Begleitung auf dem Weg, den wir alle gehen müssen.

Foto: Gottschling/UKS

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